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Steigt Gold auf 10.000 Dollar?
SAN FRANCISCO – Es war noch nie leicht, ein rationales Gespräch über den Wert von Gold zu führen.
In letzter Zeit allerdings ist dies schwieriger denn je, ist doch der Goldpreis im letzten Jahrzehnt um über 300 Prozent angestiegen.
Erst letzten Dezember verfassten meine Kollegen Martin Feldstein und Nouriel Roubini Kommentare, in denen sie mutig die vorherrschende optimistische Marktstimmung hinterfragten und sehr überlegt auf die Risiken des Goldes hinwiesen.
Und es kam, wie es kommen musste.
Seit der Veröffentlichung ihrer Artikel ist der Goldpreis noch weiter gestiegen.
Jüngst erreichte er sogar ein Rekordhoch von 1.300 Dollar.
Im letzten Dezember argumentierten die Goldbugs, dass der Preis zweifellos in Richtung 2.000 Dollar gehen würde.
Beflügelt aufgrund des anhaltenden Aufwärtstrends, meint man nun mancherorts, dass Gold sogar noch höher steigen könnte.
Ein erfolgreicher Gold-Investor erklärte mir vor kurzem, dass die Aktienkurse über ein Jahrzehnt dahingedümpelt waren, bevor der Dow Jones-Index in den frühen 1980er Jahren die Marke von 1.000 Punkten überschritt.
Seit damals ist er auf über 10.000 Punkte gestiegen.
Nun hat Gold die magische Grenze von 1.000 Dollar überschritten, warum sollte sich sein Wert daher nicht auch verzehnfachen?
Zugegeben: Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich einen noch höheren Goldpreis vorzustellen.
Denn inflationsbereinigt erreicht der Goldpreis von heute nicht annähernd das Allzeithoch von Januar 1980.
Damals lag Gold bei 850 Dollar, also in heutigem Geldwert um einiges über 2.000 Dollar.
Allerdings gab es im Januar 1980 offensichtlich einen „Freak Peak“ in einer Zeit erhöhter geopolitischer Instabilität.
Bei einem Wert von 1.300 Dollar ist der heutige Preis wohl doppelt so hoch wie die sehr langfristigen, inflationsbereinigten Durchschnitts-Goldpreise.
Was also könnte einen weiteren kolossalen Anstieg des Goldpreises von diesem Wert aus begründen?
Eine Möglichkeit wäre natürlich der totale Zusammenbruch des US-Dollars.
Angesichts ausufernder Defizite und einer richtungslosen Fiskalpolitik fragt man sich, ob eine populistische Administration nicht doch leichtsinnigerweise die Gelddruckmaschine anwerfen würde.
Und wer sich in dieser Hinsicht wirklich Sorgen macht, könnte in Gold tatsächlich die verlässlichste Absicherung finden.
Natürlich kann man einwenden, dass inflationsindexierte Anleihen eine bessere und direktere Absicherung seien, als Gold.
Aber die Goldbugs machen sich zu Recht Sorgen, ob die Regierung ein derartiges Engagement unter extremeren Umständen würdigte.
Wie Carmen Reinhart und ich in unserem jüngsten Buch über die Geschichte von Finanzkrisen Dieses Mal ist alles anders, zeigen, konvertieren Pleiteregierungen diese indexierten Anleihen oftmals zwangsweise in nicht indexierte, auf dass sich ihr Wert weginflationiere.
Sogar in den Vereinigten Staaten wurden während der Großen Depression der 1930er Jahre die Indexklauseln aus Anleiheverträgen gestrichen.
Aber selbst wenn eine sehr hohe Inflation möglich ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch wahrscheinlich ist. Man sollte daher mit der Argumentation vorsichtig sein, wonach höhere Goldpreise von Inflationserwartungen angetrieben seien.
Mancherorts heißt es auch, der lange Aufwärtstrend des Goldes wäre teilweise durch die Entwicklung neuer Finanzinstrumente bedingt, die den Handel und die Spekulation mit Gold erleichterten.
Darin liegt möglicherweise ein Körnchen Wahrheit – und ein gewisses Maß an Ironie.
Denn schon die mittelalterlichen Alchemisten beschäftigten sich mit der aus heutiger Sicht absurden Suche nach einer Möglichkeit, aus unedlen Metallen Gold zu machen.
Wäre es nicht paradox, wenn es der Finanz-Alchemie gelänge, den Wert eines Goldbarrens dramatisch steigen zu lassen?
Meiner Ansicht nach ist der stärkste Grund für den heutigen hohen Goldpreis der dramatische Aufstieg Asiens, Lateinamerikas und des Mittleren Ostens in die Weltwirtschaft.
Legionen neuer Verbraucher gewinnen an Kaufkraft und damit steigt zwangsläufig die Nachfrage, wodurch der Preis für knappe Güter steigt.
Zugleich müssen die Zentralbanken der Schwellenmärkte Goldreserven anlegen, die sie allerdings noch immer in viel geringerem Ausmaß halten, als die Zentralbanken reicher Länder.
Also, ja, manche Fundamentaldaten untermauern durchaus die heutigen Goldpreise, obwohl es fraglich ist, ob und in welchem Ausmaß sie höhere Preise auch in Zukunft untermauern werden.
Ein weiterer entscheidender und grundlegender Faktor, der zu hohen Goldpreisen beitrug, könnte sich als weit kurzlebiger erweisen als die Globalisierung.
Der Goldpreis ist extrem empfindlich hinsichtlich globaler Veränderungen des Zinssatzes.
Schließlich bringt Gold keine Zinsen und die Lagerung kostet sogar etwas.
Angesichts der in vielen Ländern teilweise auf einem Rekordtief befindlichen Zinsen ist es relativ billig, mit Gold zu spekulieren, anstatt in Anleihen zu investieren.
Wenn aber die realen Zinssätze signifikant ansteigen, wie dies eines Tages durchaus möglich ist, könnte der Goldkurs abstürzen.
Aus den meisten ökonomischen Forschungsergebnissen geht hervor, dass eine kurz- bis mittelfristige Prognose des Goldpreises sehr schwierig ist, wobei sich die Chancen auf Gewinn und Verlust ungefähr ausgleichen.
Daher ist es gefährlich, aus kurzfristigen Trends Prognosen abzuleiten.
Ja, mit Gold ist es prima gelaufen, aber bis vor ein paar Jahren war es auch mit weltweiten Immobilienpreisen so.
Wenn Sie ein vermögender Investor, ein Staatsfonds oder eine Zentralbank sind, ist es unbedingt sinnvoll, einen bescheidenen Teil Ihres Portefeuilles zur Absicherung gegen extreme Ereignisse in Gold zu halten.
Aber trotz seiner erhöhten Attraktivität im Gefolge einer außergewöhnlichen Preissteigerung, bleibt Gold für die meisten von uns eine sehr riskante Sache.
Natürlich haben derartige Überlegungen möglicherweise wenig Einfluss auf die Goldpreise.
Was für die Alchemisten von damals galt, trifft auch heute noch zu: Gold und Vernunft sind oft schwer unter einen Hut zu bringen.
Ein konservatives Europa
Vergangene Woche trafen sich Tony Blair, Jacques Chirac und Gerhard Schröder in Berlin.
Mit der Zusicherung, das Wachstum in Europa wieder zu beleben, gingen sie auseinander.
Dieses leere Versprechen haben wir schon einmal gehört.
Die Europäische Union braucht stattdessen eine neue Richtung.
Ich sage dies als Vorsitzender der Partei, die an vorderster Front für Großbritanniens Übereinkommen mit Europa eingetreten ist.
Es war eine konservative Regierung, die Anfang der Sechzigerjahre die Mitgliedschaft zuerst beantragte.
Eine konservative Regierung führte das Vereinigte Königreich im Jahr 1973 in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Margaret Thatcher arbeitete mit Jacques Delors an der Zustimmung zum Binnenmarkt im Jahr 1986.
Deshalb hege ich keinen Zweifel, dass Großbritannien innerhalb der Union einflussreich bleiben muss.
Unsere traditionelle Reaktion einer neuen EU-Initiative gegenüber bestand häufig darin, diese abzulehnen, dagegen zu stimmen, die Abstimmung zu verlieren und die Initiative anschließend schmollend anzunehmen und dabei allen anderen die Schuld zu geben.
Natürlich gibt es grundlegende Bedingungen, die alle Mitgliedsstaaten akzeptieren müssen.
An vorderster Stelle stehen die vier Freiheiten des Binnenmarktes: freier Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Menschen und Kapital.
Ein Binnenmarkt erfordert jedoch keine einheitliche Sozial- oder Industriepolitik, weniger noch eine gemeinsame Steuerpolitik.
Es fördert die Wettbewerbsfähigkeit, den Ländern die Möglichkeit zu geben, in diesen Bereichen ihre eigene Politik zu verfolgen.
Die Erzwingung gemeinsamer Richtlinien bedeutet, dass Europa weiter zurückfallen wird, da die Mitgliedsstaaten ihre Kosten auf ihre Nachbarn abwälzen.
Welche Bereiche sollten auf alle Mitgliedsstaaten angewendet werden und welche sollten optional sein?
Ich denke, dass jedes Mitgliedsland die Richtlinien anwenden sollte, die keinen direkten und bedeutenden Einfluss auf andere Mitgliedsstaaten haben.
In Bereichen, die ihren nationalen Interessen dienen, sollten die einzelnen Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie die gesamte nationale Kontrolle beibehalten oder mit anderen kooperieren wollen.
Die Mitglieder der Union sollten eine Reihe sich überschneidender Runden bilden: Mitgliedsländer in unterschiedlichen Kombinationen sollten die Möglichkeit haben, ihre Pflichten in verschiedenen Bereichen ihrer Wahl zusammenzulegen.
Hierfür existieren Beispiele.
Die NATO ist von Anfang an flexibel gewesen.
Frankreich unterschrieb die Beitrittserklärung, lehnte es später jedoch ab, seine militärischen Einsatzkräfte dem Oberkommando der NATO zu unterstellen.
Eine vergleichbare Flexibilität existiert beim Euro, beim Schengen-Abkommen und bei der Sozialcharta.
Diese Beispielsfälle kann man erweitern.
Bisher mussten sich alle gemeinsam vorwärts bewegen, wobei einzelne Länder bestimmte Möglichkeiten der Nichtteilnahme aushandelten.
So müssen einzelne Mitgliedsstaaten keine angespannten Verhandlungen über die Möglichkeit der Nichtteilnahme an einer neuen Initiative führen, sondern diejenigen, die die Initiative unterstützen, können sich einfach dafür entscheiden.
Länder, die sich weiter integrieren wollen, können dies tun.
Sie müssen Großbritannien und andere nicht strampelnd und zeternd in ihrem Kielwasser mitziehen, weil diese nicht gezwungen sind, ihnen zu folgen.
Auf diese Art und Weise können wir uns aus dem institutionalisierten Tauziehen befreien, das charakteristisch für die EU-Beziehungen war.
Ich meine kein Europa mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Das würde voraussetzen, dass wir uns alle über das Ziel einig und nur über die Geschwindigkeit der Reise anderer Meinung sind.
Ich will nicht das Ziel erreichen, das einige unserer Partner vielleicht anstreben.
Manche meinen, dass dies für Länder, die sich gegen eine engere Integration entscheiden, bedeuten würde an Einfluss zu verlieren.
Großbritannien muss nicht mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen über den Euro gefällt werden.
Durch das Außen vor bleiben haben sich für unsere Wirtschaft keine nachteiligen Auswirkungen ergeben.
Das wir am Pfund festhalten, bedeutet nicht, dass wir den Euro ablehnen oder sein Scheitern wünschen.
Die Europäische Union sollte mit dem Versuch aufhören, alles zu tun und sich darauf konzentrieren, sich mit weniger Dingen effektiver zu beschäftigen.
Sie sollte Mitgliedsländern die Chance geben, eine Herangehensweise an Europa zu entwickeln, die ihren nationalen Traditionen gerecht wird, innerhalb des EU-Gefüges.
Dies ist die Grundlage, auf der britische Konservative den Verfassungsvorschlag ablehnen.
Wir sind, natürlich, mit vielen Inhalten nicht einverstanden, lehnen jedoch auch die Vorstellung ab, überhaupt eine EU-Verfassung zu haben.
Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einer Vereinigung von Nationalstaaten, die durch einen Vertag aneinander gebunden sind, und einem einzigen Rechtssubjekt, ob man dieses als Staat bezeichnet oder nicht, mit seiner eigenen Rechtspersönlichkeit, das seine Autorität aus seiner eigenen Verfassung ableitet.
Würde diese Verfassung ähnlich der vorgeschlagenen Form angenommen, bekäme die EU eine Menge Attribute und Symbole der Staatlichkeit hinzu: ihren eigenen Präsidenten und Außenminister, ihr eigenes Rechtssystem.
Die Vorherrschaft des EU-Rechts würde sich nicht aus den Gesetzen nationaler Parlamente herleiten, sondern aus einer supranationalen Verfassung.
Das ist eine radikale Veränderung, nicht, wie manche meinen, eine bloße Aufräumaktion.
Meiner Ansicht nach ist es nicht richtig, eine Veränderung dieser Größenordnung durchzuführen, ohne sich ausdrücklich mit den Menschen beraten zu haben, in deren Auftrag wir regieren.
Gewählte Parlamente besitzen unsere Freiheiten nicht.
Sie schützen sie und sollten diese Freiheiten nicht ohne einen ausdrücklichen Auftrag schmälern.
Jeder Vorschlag für eine neue Verfassung muss den britischen und allen anderen Bürgern in jedem der EU-Mitgliedsländer vorgelegt werden.
Eine neue europäische Wachstumsagenda
BRÜSSEL: Sparen allein kann Europas Wirtschafts- und Finanzkrise nicht lösen.
Wachstum und Arbeitsplätze müssen mit gleicher Entschlossenheit gefördert werden.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union erkennen dies jetzt an: Die Ankurbelung des Wachstums stand bei der Sitzung des Europäischen Rates am 30. Januar für 2012 ganz oben auf der Tagesordnung.
Aber eine große Frage bleibt: Wie?
Dass sofort gehandelt werden muss, ist eindeutig.
Die Wirtschaft der Eurozone ist in den letzten drei Monaten des Jahres 2011 geschrumpft, und zwar selbst in Deutschland.
Es sieht finster aus für das neue Jahr.
Frankreich stagniert (und Großbritannien auch).
Italien und Spanien sind tief in die Rezession abgerutscht.
Griechenland erlebt sein fünftes Jahr des Abschwungs.
Und die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist auf Rekordniveau gestiegen, und fast die Hälfte aller jungen Leute in Spanien und Griechenland sind arbeitslos.
Der wirtschaftliche Gegenwind ist gewaltig: öffentliche Sparmaßnahmen, hohe Zinsen außerhalb der Länder mit AAA-Rating, Einschränkungen der Banken bei der Kreditvergabe, die Entschuldung der privaten Haushalte, geringe Investitionen im privaten Sektor und ein Rückgang der Exporte, da der weltweite Abschwung auf die Nachfrage drückt.
Bis es wieder Wachstum gibt, steht jede noch so schwache Finanzstabilisierung auf äußerst wackeligen Füßen.
Die Rezession wird die Bilanzen der Banken und Regierungen in Mitleidenschaft ziehen und den Druck zum schnelleren Schuldenabbau erhöhen.
Doch während eine allmähliche Anpassung unverzichtbar ist, sind schnellere und tiefere Einschnitte überwiegend kontraproduktiv: Eine starke Verringerung des privaten Kreditvolumens und der Staatsausgaben wird den Abschwung verschärfen und daher eine teuflische Abwärtsspirale in Gang setzen.
Ein neuer, starker Wachstumsanschub ist daher unverzichtbar.
Bisher besteht die Wachstumsagenda überwiegend aus Strukturreformen. Diese sind für eine Steigerung der künftigen Produktivität und Flexibilität von zentraler Bedeutung, und die Krise bietet vielen Ländern eine politische Gelegenheit für kühne Schritte an dieser Front.
Aber Strukturreformen sorgen im Allgemeinen nicht sofort für mehr Wachstum und Arbeitsplätze (eine Ausnahme ist die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten).
Im Gegenteil: Ein Abbau weniger produktiver Arbeitsplätze etwa würde zunächst einmal die Arbeitslosigkeit erhöhen, die staatlichen Aufwendungen steigern und die privaten Ausgaben verringern.
Und weil die Nachfrage rückläufig ist, Kredite kaum zu bekommen und die Hürden für Unternehmen häufig hoch sind, wird es länger als sonst dauern, um produktivere Arbeitsplätze zu schaffen.
Auf den Punkt gebracht: Strukturreformen allein werden das Wachstum 2012 nicht ankurbeln.
Stattessen müssen wir uns unmittelbar auf die Stärkung von Investitionen und Export in Volkswirtschaften mit Leistungsbilanzdefiziten – wie Frankreich, Italien und Spanien (und Großbritannien) – und auf die Ankurbelung des privaten Verbrauchs in Überschussländern wie Deutschland und den Niederlanden konzentrieren.
Die Europäische Zentralbank hat entschieden gehandelt, um die europäischen Banken zu stützen; jetzt muss sie auch die Realwirtschaft unterstützen.
Während die offiziellen Zinssätze nur 1% betragen, zahlen solvente Staaten wie Spanien mehr als 5% auf zehnjährige Anleihen, während kreditwürdige Unternehmen in Italien Kredite wenn überhaupt nur zu schmerzhaft hohen Zinsen erhalten.
Die EZB sollte also mehr tun, um den Transmissionsmechanismus in der Geldpolitik zu entsperren; die Europäische Bankaufsichtsbehörde sollte einer exzessiven Entschuldung entgegenwirken, indem sie dafür eintritt, dass die Banken statt einer einheitlichen Eigenkapitalquote von 9% bestimmte Kapitalbeträge aufbringen; und ggf. sollten die nationalen Regierungen Bürgschaften für Bankkredite an kleine und mittelgroße Firmen übernehmen.
Ein verbesserter Zugriff auf Finanzmittel ist lebenswichtig, aber die Regierungen müssen außerdem mehr tun, um die Investitionen zu steigern.
Sie sollten Maßnahmen priorisieren, um Unternehmen zu starten, Barrieren für den Zugang zu Wagniskapital abbauen und vorübergehend Abschreibungen in Höhe von 100% zulassen, um die Unternehmen zu ermutigen, Investitionen vorzuziehen.
Auf EU-Ebene sollte das (abrufbare) Kapital der Europäischen Investitionsbank stark erhöht werden, wie es der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, in seiner Rede zur Lage der Union im vergangenen September vorgeschlagen hat, damit die EIB eine große Welle europaübergreifender Investitionen insbesondere im Bereich der Infrastruktur finanzieren kann.
Eine Ankurbelung des Exports ist ebenfalls von zentraler Bedeutung.
Die Defizitländer müssen konkurrenzfähiger werden und bei gleichzeitiger Senkung ihrer Kosten die Produktivität steigern.
Eine konkurrenzfähigere Währung wäre zu begrüßen: Genau wie der Zusammenbruch des Pfund Sterling seit 2008 die britischen Exporte erhöht hat, würde ein schwächerer Euro den Volkswirtschaften des Mittelmehrraums helfen, bei preissensiblen Exporten wieder konkurrenzfähiger zu werden.
Eine Abwertung über die Finanzpolitik – durch drastische Senkung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge und Ersetzung dieser Einnahmen durch eine höhere Mehrwertsteuer – würde ebenfalls helfen.
Auch die Überschussländer müssen ihr Teil beitragen, auch im eigenen Interesse.
Ganz so, wie China eine Aufwertung des Renminbi zulassen muss, braucht Deutschland – dessen Leistungsbilanzüberschuss den Chinas sowohl als Anteil vom BIP und absolut gesehen übersteigt – einen höheren realen Wechselkurs.
Dies bedeutet, dass die deutschen Löhne und Gehälter entsprechend der höheren Produktivität in Deutschland steigen müssen, sodass sich die Deutschen mehr Urlaube in Griechenland und Spanien leisten können.
Wenn die Unternehmen dabei nicht mitmachen, würde auch eine Einkommensteuersenkung funktionieren.
Dies bringt uns zur Fiskalpolitik.
Regierungen, die auf dem Markt nicht günstig (oder überhaupt nicht) an Kredite kommen, haben keine andere Wahl, als den Gürtel enger zu schnallen.
Aber sie sollten statt tumber Sparmaßnahmen eine intelligente Konsolidierung verfolgen.
So sollten sie ihre Investitionen in Fertigkeiten und Infrastruktur aufrecht erhalten, Subventionen und Transferleistungen dagegen abbauen.
Sie sollten außerdem jetzt die gesetzlichen Grundlagen für künftige Reformen schaffen, insbesondere um die Menschen zu ermutigen, länger zu arbeiten.
Und schließlich sollten Länder, die zu beispiellos niedrigen Zinsen Geld aufnehmen können – zu 0% Realverzinsung über zehn Jahre im Falle Deutschlands – ihre Rolle bei der Stützung der Nachfrage spielen.
Ist für Deutschland eine Mehrwertsteuersenkung vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr wirklich so schwer vorstellbar?
Ist der Irak das nächste Afghanistan?
Zu Beginn des Irak-Kriegs unter US-Führung bildeten sich zwei konkurrierende Voraussagen über sein Ergebnis.
Die erste behauptete, der Sturz des Saddam Hussein Regimes dürfte im Irak eine Ära der Demokratie einleiten, die als Modell und Katalysator für die demokratische Umgestaltung der Region dienen würde.
Von den Kritikern als neue "Domino-Theorie" verspottet stellte diese Ansicht die Intervention in den Irak als etwas Ähnliches wie die Rolle dar, die Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan eingenommen hat.
Gegen den Optimismus dieses "Japan-Szenarios" behaupteten die Pessimisten, dass ein "Somalia-Szenario" wahrscheinlicher wäre.
Sie stützten ihre Behauptung auf die Stammes-, Konfessions- und multiethnische Natur des Irak, die ohne Diktatur vermutlich im Irak den Zusammenbruch in einen "misslungenen Staat" mit wucherndem Kriegsherrenunwesen, ethnische und religiöse Fehden und Unterschlupf für terroristische Organisationen auslösen würde.
Doch ist jetzt die Hauptfrage, ob der Irak irgendwo zwischen diesen beiden Szenarien entlang triften wird, um zunehmend Afghanistan ähnlicher zu werden.
Dieses "afghanische Szenario" beinhaltet einen schwachen Staat mit nomineller Macht über tatsächlich autonome Stammestümer, die von starken Männern als ihren Repräsentanten in der Staatsregierung geführt werden.
So schlecht es klingen mag, doch scheint diese Perspektive ein "realistischer" Kompromiss zwischen der vermutlich utopischen Vision einer blühenden, vereinigten Demokratie und der Jämmerlichkeit eines misslungenen Staates zu sein.
Viele Handlungen und Richtlinien der provisorischen Koalitionsbehörde (CPA) als auch Entscheidungen der Regierung Bush auf höherer Ebene scheinen auf eine resignierende Hinnahme hinzudeuten und darauf, dass die frühere Hoffnung, der Irak würde eine Demokratie westlichen Stils annehmen, verloren gegangen ist.
Tatsächlich sind solche Hoffnungen verloren gegangen.
Iraks politische Kultur - und diejenige des größten Teils des Nahen Ostens - verträgt sich nicht mit den Grundbestandteilen einer Demokratie in einem wiedererkennbaren westlichen Stil: Die Vorstellungen von individuellen Rechten und individueller Verantwortlichkeit fehlen, der Begriff eines patriarchalischen Staates ist tief verwurzelt, und die individuelle, kulturelle Identität ist selten der nationalen Gemeinschaft verpflichtet.
Andererseits prägen viele Trugschlüsse die Analysen, welche die "traditionelle" Natur der irakischen Gesellschaft für die Behinderung einer liberalen Demokratie halten.
In Irak wird wie anderswo in der arabischen und mohammedanischen Welt ein kultureller Krieg zwischen zwei Musterbildern geführt: Hier großartige Entwürfe, die ein kollektivistisches Verständnis dulden (Nationalismus, Sozialismus, Islamismus) und dort ein unterschwelliges Paradigma individualistischer Modernität, das örtlich verwurzelt aber von globalen Erfahrungen getragen wird.
Die Frontlinie in diesem Krieg bilden Vorstellungen von der individuellen und kulturellen Identität, der bürgerlichen Gesellschaft und vom Nationalstaat.
Der religiös islamische Bestandteil im irakischen gesellschaftlichen Leben sollte nicht unterschätzt werden.
Aber es sollte auch nicht mit dem politischen Islamismus auf gleiche Stufe gestellt werden, der sich bemüht, daraus Kapital zu schlagen.
Die nationalistischen und sozialistischen politischen Diskurse haben dem irakischen Wertsystem ihre Spuren aufgedrückt, doch sind sie nicht dessen einzige Bestandteile.
Tatsächlich stellt die nominelle Hinnahme des großartigen Entwurfs der "Demokratie" und der "Menschenrechte" als gemeinsame Grundlage für den politischen Diskurs eine wesentliche Verschiebung beim Abstecken der Front im Kulturkampf dar.
Die kulturelle Debatte beschränkt sich nicht auf die arabische Szene.
Es gibt auch im Westen lebhafte Diskussionen über die Anwendbarkeit demokratischer Institutionen im arabischen Kontext.
Verfechter der Vorstellung einer "Arabischen Sonderstellung", welche die Fähigkeit der arabischen Gesellschaften, sich demokratischen Systemen anzupassen, in Fragen stellen, sind tatsächlich objektiv mit den Ideologen der ,,großen Entwürfe" verbündet - und auch mit den Nutznießern der auf Protektionismus gestützten politischen Ordnung der arabischen Welt.
Die im Westen sowohl von politischen wie akademischen Kreisen zur Analyse und Interpretation der arabischen Gesellschaften benutzten Muster sind ernsthaft unzulänglich.
Insbesondere preisen viele Analysen heutzutage ein ethnische Modell an, reduzieren den Irak auf ein künstliches Gebilde, das einer zersplitterten "Realität" getrennter Gemeinschaften übergestülpt wurde.
Einige haben sogar vorgeschlagen, das aufgrund dieser falschen Ansichten vorausgesagte Ergebnis zu beschleunigen, indem man den Irak in seine ursprünglich "echten" Bestandteile zerlegt: Sunniten, Schiiten und Kurden.
Tatsächlich ist die irakische Gesellschaft komplexer als dies.
Der Aufnahme und Übernahme der Demokratie ist keine Funktion von Sektenzugehörigkeit, sondern der Reflexion auf die vieldimensionalen, historischen, kulturellen, religiösen und politischen Identitäten der irakischen Einzelpersonen.
Unter den richtigen Umständen ist es sehr gut möglich, die irakische Gesellschaft in Richtung auf eine demokratische Gestaltung ihres künftigen Staates zu bewegen.
Der Sturz von Saddam leitet solche richtigen Umstände ein.
Tatsächlich ist der scheinbare Misserfolg, nämlich dass sich im Irak innerhalb der ersten wenigen Monate nach dem Zusammenbruch der Diktatur Saddams kein erkennbarer demokratischer Kern herausgebildet hat, mehr auf die Eigenheiten des Prozesses zurückzuführen als auf eine unterstellte Wesensnatur der irakischen Gesellschaft.
Bis zum Sturz Saddams gab es im Irak eine breite "Mittelschicht", die demokratischen Diskursen und Verfahren gegenüber positiv eingestellt war.
Politische Fehler und Umschwünge haben diese Mittelschicht zerrieben und so wohl dem ideologischen Islamismus als auch einem wieder einsetzenden Neo-Ba'athismus den Weg geöffnet.
Der Hauptfehler war das Versäumnis der Besatzungsmächte, die kleine Gruppe irakischer, liberaler Demokraten dafür auszurüsten und zu ermächtigen, in diese Mittelschicht vorzudringen.
Doch diesen Rückschlag als einen Misserfolg zu betrachten, wäre eine sich selbst bestätigende Prophezeiung.
Die Demokraten im Irak müssen wieder zu einer klaren Öffentlichkeitsstrategie finden und diese entwickeln.
Die CPA und die Weltgemeinschaft sollten das Ergebnis ihrer Bemühungen nicht beeinträchtigen, in dem sie einer oberflächlichen und falschen Ansicht über die irakische Gesellschaft folgen.
Selbst wenn solche Anstrengungen erfolgreich sind, wird der Weg zu einem richtiggehenden demokratischen System im Irak noch immer mühsam und kostspielig sein.
Doch statt einem "Somalia-Szenario" zu erliegen oder von einem "Japan-Szenario" zu träumen, oder sich mit einem "Afghanistan-Szenario" anzufreunden, könnte der Irak doch noch ein "Szenario" für ein erfolgreiches Eingreifen im 21. Jahrhundert werden.
Eine „neuottomanische“ Türkei?
ANKARA: Die internationalen Medien sind heutzutage besessen von der Frage, wer die Türkei „verloren“ habe und was dieser vermeintliche Verlust für Europa und den Westen bedeutet.
Alarmierender ist, dass einige Kommentatoren die Nachbarschaftspolitik der Türkei mit einem Wiedererwachen des ottomanischen Imperialismus gleichsetzen.
Vor kurzem ging ein führender türkischer Leitartikler so weit, den türkischen Außenminister Ahmet Davutoğlu mit der Aussage zu zitieren, „wir sind in der Tat neuottomanisch.“
Als jemand, der dabei war, als Davutoğlu seine Rede vor der Parlamentsfraktion der regierenden türkischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hielt, kann ich bezeugen, dass er diese Worte nicht benutzt hat.
Tatsächlich verwenden weder Davutoğlu noch irgendjemand sonst von uns in der außenpolitischen Gemeinschaft der AKP diesen Begriff, weil er schlicht eine Verdrehung unserer Haltung darstellt.
Die Nachbarschaftspolitik der Türkei ist darauf ausgelegt, die Türkei wieder in ihre unmittelbaren Nachbarschaften zu integrieren: den Balkan, die Schwarzmeerregion, den Kaukasus, den Nahen Osten und den östlichen Mittelmeerraum.
Wir verfolgen das Ziel, unseren politischen Dialog zu vertiefen, unseren Handel zu steigern und die zwischenmenschlichen Kontakte zu unseren Nachbarn in Form des Sports, Tourismus und der kulturellen Aktivitäten auszuweiten.
Als Egon Bahr in den 1960er Jahren seine Ostpolitik formulierte, fragte niemand Will Brandt, ob Deutschland „verloren gegangen“ sei.
Gott hat der Türkei eine geografische Lage gegeben, die es zu einer grundlegenden Anforderung macht, dass wir uns nach Osten und Westen, Norden und Süden hin engagieren.
Wir haben dabei weder eine Wahl, noch ist dies ein Luxus – es ist eine Notwendigkeit.
Das Symbol der byzantinischen und seldschukischen Reiche, die in etwa dasselbe Gebiet bedeckten wie heute die Türkei, war ein doppelköpfiger Adler, der nach Osten und Westen blickte.
Es sollte niemanden erstaunen, dass auch die Türkei sich nach beiden Enden ihres Territoriums hin orientiert und dass sie glaubt, ihre Sicherheit ließe sich am besten konsolidieren, indem sie die Risiken gemeinsam mit ihren Nachbarn minimiert.
In sofern empfinden wir die aktuelle Debatte über die Orientierung der Türkei als recht überflüssig, und in einigen Fällen als böswillig.
Unsere Nachbarschaftspolitik braucht Unterstützung, keine Kritik.
Die Türkei hat sich zu einem unbezahlbaren Aktivposten im Gefüge der uns umgebenden Regionen entwickelt und ist schon jetzt dabei, den Status quo hin zu mehr Stabilität und Berechenbarkeit zu ändern.
Unseren Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehung zu Armenien etwa ist es bestimmt, einen Wandel im gesamten Südkaukasus herbeizuführen.
Wir leisten unseren Teil, was die Übernahme der Lasten angeht.
Vernünftige Europäer verstehen das.
Sicher, einige unserer Nachbarn sind schwierig.
Aber kein Land genießt den Luxus, sich seine Nachbarn aussuchen zu können.
Die Nachbarschaftspolitik der Türkei ist sehr realistisch und beruht auf genuinen Interessen, nicht romantischer neuottomanischer Verklärung, wie es mehr als nur ein paar internationale Kommentatoren suggerieren.
Es gibt durchaus eine neuottomanische Wiederbelebung im kulturellen Bereich, und unsere Bürger sind interessiert daran, Leben, Kultur und Praktiken der Ottomanen neu zu entdecken.
Die Türkei normalisiert sich innenpolitisch und interpretiert dabei auch ihr nationalhistorisches Verständnis neu.
Dies ist ein natürliches Nebenprodukt der Konsolidierung unserer Demokratie.
Der Versuch jedoch, unseren sorgfältig konzipierten außenpolitischen Initiativen einen imperialistischen Anstrich zu verleihen, ist nicht nur eine völlige Verdrehung der Tatsachen, sondern fügt auch unseren wohlmeinenden Bemühungen zur Stabilisierung unserer Region grobes Unrecht zu.
In der römischen Mythologie war Janus der Gott der Türen und Tore, der Gott von Anfang und Ende.
Die heutige Türkei mit ihrer janusartigen Geografie eröffnet dem Osten und dem Westen Türen und Tore.
Sie bietet dem Kaukasus, der Schwarzmeerregion, dem Balkan und dem Mittelmeer Gelegenheiten vom Neuanfang und auch dazu, Dinge zu Abschluss zu bringen.
In dieser Eigenschaft komplementiert und unterstützt die Türkei einen einzigartigen Übergang zwischen anderweitig schwierigen Regionen, denn sie steht für jahrhundertealte Koexistenz und Anpassung.
Die türkische Außenpolitik trägt zu diesem Aufeinanderzugehen bei und hilft ihren unmittelbaren Nachbarschaften, den Kontakt zueinander zu finden.
Anders als in jüngster Zeit behauptet, streben die Außenpolitiker der Türkei keine Wiederbelebung des Ottomanischen Reiches an.
Stattdessen bemühen wir uns um eine historische Reintegration der Türkei in ihre unmittelbaren Nachbarschaften und korrigieren damit eine Anomalie aus der Zeit des Kalten Krieges.
Eine derartige Reintegration würde der Europäischen Union und unseren anderen westlichen NATO-Verbündeten nur nützen.
Keiner von ihnen hat daher einen Grund, Unbehagen über die Türkei zu äußern.
Die Diktatur der Werte
Warum auf den Euro warten?
Die Osterweiterung der EU ist noch nicht vollzogen, aber die Debatte ist schon einen Schritt weiter: wann, so wird gefragt, sollten die neuen, in ihrer Mehrheit postkommunistischen Mitglieder den Euro einführen?
Vorausgesetzt, sie erfüllen die im Vertrag von Maastricht festgelegten Voraussetzungen bezüglich der EWU - und es werden nicht unfairerweise strengere Konvergenzkriterien festgelegt - geht es im Wesentlichen um die Frage, ob es für die neuen Mitglieder günstiger ist, zu warten oder einen schnellen Beitritt anzustreben.
Zunächst einmal muss an dieser Stelle betont werden, dass ein Land für den raschen Beitritt zur EWU ein ehrgeizigeres Steuer- und Strukturprogramm verfolgen muss, als wenn der Beitritt noch hinausgezögert würde.
Andernfalls wäre der frühe Beitritt eine leere Geste.
Meiner Meinung nach ist es nicht nur möglich, sondern auch erstrebenswert, eine frühe Einführung des Euro hinauszuzögern.
Mit 'früher Einführung' meine ich den kürzest möglichen Zeitraum - zwei Jahre - nachdem ein neues Mitglied seine Währungspolitik den steuerlichen und monetären Zwängen des Ausgleichsmechanismus des Europäischen Währungssystems (ERM II) unterordnet.
Bei einem Eintritt sowohl in die EU als auch in den ERM im Jahr 2004 sollten neue Mitglieder die Mitgliedschaft in der Eurozone um 2006 anstreben.
Ist dies realistisch?
Die meisten Kandidaten haben bereits ein hohes Maß an struktureller Konvergenz mit der EU erreicht.
Die Exporte in die Union sind seit 1991 in die Höhe geschnellt, als auf den Zusammenbruch des COMECON-Handelssystems der sowjetischen Ära eine radikale Umorientierung der Wirtschaft - mit Hilfe von massiven Auslandsinvestitionen aus der EU - hin zu westlichen Märkten folgte.
Die meisten Beitrittskandidaten exportieren heute mehr in die EU als Griechenland, Portugal und Spanien zum Zeitpunkt ihres Beitritts zu EU und EWU.
Der Fortschritt hinsichtlich des Inflationsrückgangs ist ähnlich beeindruckend.
Die jährliche Inflationsrate ist in den meisten Kandidatenländern auf 4 bis 5% gesunken und liegt damit nicht viel höher als in vielen EU-Ländern und niedriger als in den Niederlanden im letzten Jahr.
Und in Bezug auf die Strukturkonvergenz liegen die EU-Kandidaten schon heute besser als Spanien, Portugal und Griechenland zu einer vergleichbaren Zeit vor ihrem Beitritt zur EWU.
Es gibt auch kein Risiko großer korrigierender Preisschwankungen, weil bis auf wenige Ausnahmen alle Preise vollständig liberalisiert sind.
Studien legen nahe, dass sich die Inflationsrate in den Beitrittsländern hartnäckig oberhalb der von Maastricht festgelegten Grenze halten wird.
Schuld an dieser pessimistischen Sicht ist der so genannte "Balassa-Samuelson"-Effekt: schnelles Produktivitätswachstum in den Handelssektoren der Beitrittskandidaten - Außenhandel zum Beispiel - drückt die Reallöhne überall in betroffenen Volkswirtschaften nach oben, einschließlich in anderen Sektoren, wie bei den Dienstleistungen.
Dieser allgemeine Lohnanstieg bei gleichzeitigem geringen Produktivitätswachstum im Dienstleistungssektor erhöht das relative Preisniveau und hält die Inflation über dem Durchschnitt der Eurozone.
Der Balassa-Samuelson-Effekt ist in Griechenland, Spanien und Portugal noch immer evident.
Aber nach Schätzungen der empirischen Forschung der CEC5-Nationalbanken liegt sein Anteil am Preisanstieg in den Kandidatenländern insgesamt bei 1 bis 2%.
Mit den geringfügigen Auswirkungen des Balassa-Samuelson-Effekts und einem beschränkten Spielraum für zukünftige korrektive Inflation ist das EWU-Kriterium in Bezug auf Preisstabilität - eine jährliche Inflationsrate von höchstens 1,5% des Durchschnittswerts der drei leistungsstärksten Volkswirtschaften der EU - in Reichweite gerückt.
Aber was ist wirklich erstrebenswert - ein früherer oder ein späterer Beitritt zur EWU?
Würde die frühere oder die spätere Zulassung von Ungarn, Lettland, Polen oder der Slowakei vom Standpunkt der derzeitigen Mitgliedsstaaten den Euro, wie viele fürchten, den Euro nach unten ziehen?
Befürchtungen, dass eine "verfrühte" Erweiterung der EWU auf neue Staaten den Wechselkurs des Euro negativ beeinflussen könnte, sind irrational.
Wenn alle Kandidatenländer ungefähr um dieselbe Zeit in die EU aufgenommen werden, werden sie zusammen lediglich 6% des gesamten BIP ausmachen.
Ein negativer Effekt auf den Euro aufgrund von schneller Zulassung zur EWU würde schlimmstenfalls wenig mehr als einem Auf- oder Abrundungsfehler gleichkommen.
Eine Verzögerung des Beitritts zur EWU wäre sinnvoll, wenn eine längere Wartezeit mehr Information zur Folge hätte.
Auf der anderen Seite könnte eine längere Wartezeit auch lediglich noch mehr heiße Luft produzieren.
Die Übergangszeit ist bereits turbulent genug: konvergenzbedingte Kapitalflüsse treiben Wechselkurse in einigen Kandidatenländern wie Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn in die Höhe und verkomplizieren dadurch die Währungspolitik.
Und Unbeständigkeit im Kapitalfluss könnte den flexiblen Wechselkurs, den des Ausgleichsmechanismus des Europäischen Währungssystems (ERM II), - eine 15%-Fluktuation auf beiden Seiten eines zentralen paritätischen Wertes - tatsächlich als zu gering erscheinen lassen.
Einige argumentieren, dass die Teilhabe am Ausgleichsmechanismus des Europäischen Währungssystems (ERM II) als langfristiges Projekt anzusehen sei - vielleicht bis 2010 - zum Nutzen der Kandidaten selbst.
Der Nutzen ist einfach: ERM II ermöglicht eine gewisse Wechselkursflexibilität im Gegensatz zu den festen Wechselkursen, die durch die Einführung des Euro auferlegt würden.
Damit könne die Wirtschaftsleistung der Kandidaten auf einem hohen Niveau gehalten werden, womit wiederum die tatsächliche Konvergenz mit dem durchschnittlichen EU-Einkommensniveau aufrecht erhalten werden kann.
Dieses Argument ist außerordentlich schwach und zudem politisch verdächtig.
Wie die Zahlen der Europäischen Zentralbank zeigen, beträgt das durchschnittliche BIP der Beitrittskandidaten 44% des Eurozonenniveaus.
Zusammen mit den kleinen Wachstumsdifferenzen legt die Größe des Einkommensunterschieds nahe, dass der Prozess der realen Konvergenz weit über die vorsichtigsten Prognosen für den Beitritt zu EU und EWU hinausgehen wird und sich wahrscheinlich über einige Jahrzehnte hinziehen wird.
Wichtiger noch ist die Tatsache, dass, langfristiges Wirtschaftswachstum nicht von den - flexiblen oder festen (EWU) - Wechselkursen abhängt, während ein zeitiger Beitritt wichtige Reformen vorantreiben würde.
Einige Jahre begrenzter Wechselkursflexibilität sind ein trauriger Ersatz für die schnelle Vollendung von Strukturreformen.
Bei fast allen Kandidaten hängen ein weiterer Rückgang der Inflation und langfristiges Wirtschaftswachstum von der steuerlichen Konsolidierung, flexibleren Arbeitsmärkten und einer Vollendung der Privatisierung ab.
Wird der Beitritt zur EWU verzögert, riskiert man, den Anreiz für diese politisch kostspieligen, aber notwendigen Reformen zu schwächen.
Jede Verzögerung bei der Vollendung der Reformen wird letztendlich den Prozess der realen Konvergenz hinauszögern, der den EU-Beamten zu Recht so am Herzen liegt.
Werden die Reformen dagegen früh in die Wege geleitet, werden sie - und damit auch die tatsächliche Konvergenz - auch schneller vollendet.
Ein Erfolg auf diesem Gebiet würde es den Kandidatenländern erlauben, Nutzen aus einer höheren Preistransparenz, verringerten Transaktionskosten und einem soliden makroökonomischen Rahmen zu ziehen.
Diese Strategie, nicht die der Verzögerung des Beitritts, verspricht die meisten Vorteile sowohl für die gegenwärtigen als auch für die zukünftigen Mitgliedsstaaten der EU.
1929 oder 1989?
PARIS – Während sich die Wirtschaftskrise vertieft und ausweitet, ist die Welt auf der Suche nach historischen Analogien, die uns helfen sollen die Geschehnisse zu verstehen.
Zu Beginn der Krise wurde sie von vielen mit 1982 oder 1973 verglichen, was beruhigend war, da sich beide Daten auf klassische zyklische Konjunkturabschwünge beziehen.
Heute ist die Stimmung wesentlich trostloser und Bezüge auf die Jahre 1929 und 1931 beginnen sichtbar zu werden, auch wenn einige Regierungen sich weiterhin so verhalten als sei die Krise eher klassisch als außergewöhnlich.
Die Tendenz ist entweder eine übermäßige Zügelung (Europa) oder eine Streuung der Bemühungen (die Vereinigten Staaten).
Europa ist zurückhaltend, um Schulden zu vermeiden und den Euro zu schützen, die USA hingegen haben an vielen Fronten Maßnahmen ergriffen, um die ideale Gelegenheit zur Durchführung dringend erforderlicher Strukturreformen nicht zu versäumen.
Geostrategen hingegen fällt sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht natürlich das Jahr 1989 ein.
Der Niedergang der Investmentbank Lehman Brothers hat natürlich nichts mit dem Fall der Berliner Mauer zu tun.
Oberflächlich scheint er sogar seine perfekte Antithese zu sein: Der Zusammenbruch einer Mauer, die Unterdrückung und künstliche Teilungen symbolisiert, im Vergleich zum Zusammenbruch einer scheinbar unzerstörbaren und beruhigenden Institution des Finanzkapitalismus.
Dennoch könnten die Jahre 2008-2009, ähnlich wie 1989, durchaus einem epochalen Wandel entsprechen, dessen deutlich werdende Konsequenzen jahrzehntelang spürbar sein werden.
Das Ende der ideologischen Teilung zwischen Ost und West und das Ende des absoluten Vertrauens in die Märkte sind historische Wendepunkte.
Und was im Jahr 2009 geschehen wird, könnte einige der positiven Resultate des Jahres 1989 gefährden, einschließlich der friedlichen Wiedervereinigung Europas und des Sieges demokratischer Prinzipien über nationalistische, wenn nicht sogar fremdenfeindliche, Tendenzen.
Im Jahr 1989 hat die liberale Demokratie einen Triumph über die sozialistische Ideologie errungen, die vom Ostblock verkörpert und gefördert wurde.
Für viele seiner Anhänger war es Präsident Ronald Reagan, der die sowjetische Wirtschaft mit seiner wohlüberlegten Zuspitzung des Rüstungswettlaufs an ihre Grenzen brachte und somit den vollen Beweis für die Überlegenheit liberaler Gesellschaften und freier Märkte erbrachte.
Natürlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen 1989 und heute.
Erstens, und vielleicht vor allem, haben die Revolutionen des Jahres 1989 und der darauffolgende Zusammenbruch der Sowjetunion der globalen Bipolarität ein Ende bereitet.
Im Gegensatz dazu wird das Jahr 2009 vermutlich den Weg für eine neue Form der Bipolarität ebnen, wobei allerdings China den Platz der Sowjetunion einnimmt.
Zweitens, während Demokratie und Marktkapitalismus im Jahr 1989 als klare – wenn auch schwächere als erwartete – Gewinner schienen, ist es 2009 in Anbetracht der Ausdehnung der globalen Krise, schwierig Gewinner von Verlierern zu unterscheiden.
Jeder scheint ein Verlierer zu sein, auch wenn einige stärker betroffen sind als andere.
Als Gastprofessor in Harvard und am MIT erhalte ich einen guten Ausblick darauf, wie die Welt aussehen könnte, wenn die Krise schließlich aufhört.
Man spürt so etwas wie die Entstehung eines amerikanisch-asiatisch dominierten Universums.
Die Asiaten – insbesondere Chinesen und Inder – sind überall, vom unglaublichen Media Lab am MIT bis zu den Fakultäten für Mathematik und Wirtschaft in Harvard, wie die Römer in Athen im ersten Jahrhundert vor Christus: Voller Bewunderung für jene, von denen sie so viel gelernt haben, und die sie in den kommenden Jahrzehnten hinter sich lassen werden.
Aber bevor diese neue Ordnung auftaucht, könnte die Welt mit einer sich ausweitenden Unordnung, wenn nicht sogar völligem Chaos, konfrontiert werden.
Was wird zum Beispiel mit einem so zentralen und verwundbaren Land wie Ägypten passieren, wenn Hunderttausende von Ägyptern, die am Golf arbeiten, in Folge der Krise in den Erdöl produzierenden Ländern gezwungen sind in ihre Heimat zurückzukehren?
Wenn die Reichen weniger reich werden, werden die Armen ärmer.
Und was ist mit den ausländischen Arbeitern, die nach dem „europäischen Traum“ gegriffen haben und jetzt mit potenziellen Ausbrüchen von Fremdenfeindlichkeit in Europas angeblich offenen Ländern konfrontiert sind?
Die Konsequenzen des Jahres 1989 waren letztlich weniger dauerhaft als viele Beobachter, ich eingeschlossen, angenommen hatten.
Wir können nur hoffen, dass die Konsequenzen des Jahres 2009 sich in vergleichbarer Weise als wesentlich weniger dramatisch erweisen werden als es sich heute – intuitiv und durch unsere historischen Reflexe – für uns anfühlt.
2011: Meine persönliche Odyssee im Weltraum
MOSKAU – Die meisten Menschen, die mich kennen, halten mich für eine Expertin auf dem Gebiet der Informationstechnologie, die wahrscheinlich in Kalifornien lebt und in angesagte Internet-Start-ups investiert.
Tatsächlich habe ich meinen Hauptwohnsitz in New York und demnächst werde ich für fünf Monate nach Russland gehen, um mich in der Sternenstadt, in der Nähe von Moskau, zur Kosmonautin ausbilden zu lassen.
Verschiedene Wege führten mich dorthin.
Als Kind dachte ich, dass ich ohne große Anstrengungen meinerseits eines Tages zum Mond fliegen würde.
Es war für mich klar, dass Reisen ins All eine Selbstverständlichkeit sein würden, wenn ich einmal so um die 40 bin.
Mein Vater arbeitete am Raumfahrtprogramm der USA mit und daheim hatten wir ein paar Steine vom Mond. Deshalb dachte ich, dass so eine Reise ins All keine große Sache sein kann.
Anschließend war ich ungefähr 40 Jahre lang anderweitig beschäftigt.
Vor ein paar Jahren allerdings rückte die Raumfahrt wieder in das Zentrum meiner Aufmerksamkeit.
Vielen Bekannte aus dem IT-Bereich erging es gleich: Elon Musk, Mitbegründer von PayPal, gründete die Firma Space-X; Jeff Bezos von Amazon etablierte ein Raumfahrtunternehmen namens Blue Origin; Jeff Greason, hochrangiger Manager bei Intel, gründete XCOR Aerospace (an dem ich beteiligt bin).
Und im Jahr 2005, als ich meine Konferenz „PC Forum“ für IT-Unternehmer zum letzten Mal abhielt, initiierte ich eine andere Konferenz namens „Flight School“ für Unternehmer aus den Bereichen Raumfahrt und private Luftfahrt.
Im selben Jahr war ich mit einem kleinen Team in Südafrika, um Präsident Thabo Mbeki und seine Regierung in Fragen der IT-Politik zu beraten.
Ein Mitglied dieses Teams war Mark Shuttleworth, Gründer von Thawte (das später an VeriSign verkauft wurde), der erst kurz davor von einer Reise ins All zurückgekehrt war, an der er als zweiter „Weltraumtourist“ teilgenommen hatte.
Eines Abends saßen wir bei Sonnenuntergang um ein Lagerfeuer, als 50 südafrikanische Schulkinder in Bussen ankamen.
Zusammen mit Präsident Mbeki bestand die Gruppe aus etwa 100 Personen, die sich um das lodernde Feuer versammelt hatten.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurde eine Leinwand aufgestellt und Mark zeigte uns Videos aus dem Weltraum.
Er erzählte uns faszinierende Geschichten von seinen Abenteuern und untermalte dies mit Bildern, wo zu sehen war, wie er in der Schwerelosigkeit schwebte und versuchte Tropfen mit seinem Mund zu fangen, und so weiter.
Die Kinder hatten riesigen Spaß und ich bin mir sicher, dass manche auf der Stelle den Entschluss fassten, Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren.
Schließlich beteiligte ich mich an der Firma Space Adventures, die Shuttleworths Trip in den Weltraum organisiert hatte.
Später nahm ich an einer von dieser Firma angebotenen Tour zum Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan teil, um den Start von Charles Simonyi, dem fünften (und siebten) Weltraumtouristen zu verfolgen.
(Simonyi entwickelte das Programm Microsoft Word und besitzt mittlerweile sein eigenes Start-up namens Intentional Software sowie eine Stiftung und betreibt die Webseite CharlesinSpace.org.)
Bald darauf begann ich so nebenbei über die Möglichkeit zu sprechen, Ersatzkosmonautin im Space Adventures-Team zu werden.
Ja, ich würde wirklich liebend gern in den Weltraum reisen, aber das kostet zwischen 35 und 40 Millionen Dollar, wohingegen die Ausbildungskosten für Ersatzraumfahrer „nur“ 3 Millionen Dollar betragen.
Ich hatte die vage Idee, dass ich im Jahr 2011 eventuell ins All reisen könnte – also in dem Jahr, da Google-Mitbegründer Sergej Brin vermutlich seine Reise antreten wird.
Space Adventures drängte auf einen Termin im Jahr 2009, aber ich war zu beschäftigt.
Im letzten Frühjahr passierte es dann: Meine Schwester Emily erkrankte an Krebs und musste sich einer beidseitigen Brustamputation unterziehen.
(Mittlerweile geht es ihr wieder gut und sie hat auch gerade einen Mini-Marathon gewonnen).
Ein paar Wochen später hatte ich es mit einer dieser typischen Terminkollisionen zu tun: Eine Vorstandssitzung hier, eine Konferenz da und gleichzeitig noch ein Termin an einem anderen Ort.
„Herrje”, dachte ich „hätte ich doch nur auch eine beidseitige Brustamputation, dann könnte ich alle diese Termine absagen und kein Mensch würde sich beschweren!“
Du liebe Zeit!
Mir wurde klar, dass meine Prioritäten wohl aus dem Lot geraten waren. Auf seltsame Weise ist dieses Sabbatical in Russland meine Alternative zur beidseitigen Brustamputation – eine positive Alternative natürlich, aber doch eine Art Neustart.
Das ist auch die Antwort auf eine andere Frage, mit der ich aufgrund meiner Arbeit im humangenetischen Bereich bei 23andMe (www.23andme.com) und Personal Genome Project ( www.personalgenome.org ) konfrontiert bin: Was würden Sie tun, wenn Sie erfahren, dass Sie in ein paar Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranken werden? Natürlich würde ich mich zur Kosmonautin ausbilden lassen!
Wozu also darauf warten, bis man erfährt, dass man womöglich an Alzheimer erkranken wird? Nächstes Monat werde ich dann berichten, was alles zum Training für einen Weltraumflug dazugehört.
Der 11. September und der neue Autoritarismus
Fünf Jahre nach dem Anschlag auf die Twin Towers in New York und das Pentagon in Washington ist der „11. September“ kein bloßes Datum mehr.
Er ist in die Geschichtsbücher als der Anfang von etwas Neuem eingegangen, vielleicht einer neuen Ära, aber in jedem Fall einer Zeit der Veränderung.
Auch die terroristischen Bombenanschläge von Madrid, London und anderswo werden uns in Erinnerung bleiben, aber der „11. September“ ist zum Schlagwort geworden, fast wie der „August 1914“.
Doch hat am 11. September 2001 tatsächlich ein Krieg begonnen?
Nicht alle sind mit dieser amerikanischen Vorstellung glücklich.
Zur Hochzeit des irischen Terrorismus in Großbritannien taten verschiedene britische Regierungen ein Übriges, um der IRA nicht zuzugestehen, dass ein Krieg geführt wurde.
„Krieg“ hätte die Akzeptanz der Terroristen als legitime Feinde bedeutet, sozusagen als Ebenbürtige in einem blutigen Wettstreit, in dem anerkannte Kampfregeln gelten.
Dies ist weder eine korrekte Beschreibung noch eine sinnvolle Terminologie für Terrorakte, die man korrekter als kriminell beschreibt.
Indem die Regierung der Vereinigten Staaten den Terrorismus als Krieg bezeichnet – und einen Gegner benennt, normalerweise Al Kaida und ihren Führer, Osama bin Laden –, hat sie innenpolitische Änderungen gerechtfertigt, die vor den Anschlägen des 11. Septembers in einem freien Land nicht hinnehmbar gewesen wären.
Die meisten dieser Änderungen sind im so genannten „USA Patriot Act“ enthalten.
Obwohl einige der Änderungen lediglich Verwaltungsvorschriften betrafen, war der Gesamteffekt, dass die großen Säulen der Freiheit ausgehöhlt wurden, z. B. das Habeas-Corpus-Gesetz, das Recht, ein unabhängiges Gericht anzurufen, wenn der Staat eine Person ihrer Freiheit beraubt.
Sehr früh wurde das Gefangenenlager in Guantánamo Bay in Kuba zu einem Symbol von etwas noch nie da Gewesenem: der Verhaftung von „illegalen Kämpfern“, denen sämtliche Menschenrechte vorenthalten werden, ohne Gerichtsverfahren.
Die Welt fragt sich jetzt, wie viele dieser nichtmenschlichen Menschen es noch an wie vielen Orten der Welt gibt.
Für alle anderen wurde eine Art Notstand ausgerufen, der die Einmischung des Staates in grundlegende Bürgerrechte ermöglicht.
Grenzkontrollen sind für viele zu einer Qual geworden, und etliche Menschen haben unter polizeilichen Schikanen zu leiden.
Ein Klima der Angst macht allen das Leben schwer, die verdächtig aussehen oder handeln, besonders Muslimen.
Als derartige Freiheitsbeschränkungen beschlossen wurden, trafen sie auf keinen großen öffentlichen Widerstand.
Im Gegenteil, im Großen und Ganzen waren es die Kritiker, nicht die Verfechter dieser Maßnahmen, die Ärger bekamen.
In Großbritannien, wo Premierminister Tony Blair die Haltung der USA vollkommen unterstützte, hat die Regierung ähnliche Maßnahmen ergriffen und sogar eine neue Theorie angeboten.
Blair hat als Erster argumentiert, dass Sicherheit die wichtigste Freiheit darstelle.
Anders ausgedrückt ist Freiheit nicht das persönliche Recht des Einzelnen, über sein eigenes Leben zu bestimmen, sondern das Recht des Staates, die individuelle Freiheit im Namen einer Sicherheit einzuschränken, die nur der Staat definieren kann.
Dies ist der Anfang eines neuen Autoritarismus.
Das Problem besteht in allen Ländern, die von der Bedrohung des Terrorismus betroffen sind, obwohl es in vielen nicht ganz so konkret ist.
In den meisten Ländern auf dem europäischen Festland ist der „11. September“ ein amerikanisches Datum geblieben.
Es gibt sogar eine Debatte hinsichtlich der Frage, ob die Beteiligung am „Krieg gegen den Terror“ die Bedrohung durch Terrorakte vielleicht nicht sogar vergrößert hat – und dafür gibt es tatsächlich einige Anzeichen.
Die Deutschen benutzen dieses Argument auf jeden Fall, um sich aus dem Geschehen herauszuhalten, wo immer dies nur möglich ist.
Diese Haltung hat jedoch nicht verhindert, dass sich ein Phänomen ausbreitet, für das auch in anderen Sprachen ein deutsches Wort benutzt wird: Angst .
Eine diffuse Besorgnis greift um sich.
Besonders auf Reisen fühlen sich die Menschen unwohl und besorgt.
Bei jedem Zugunglück oder Flugzeugabsturz wird nun zuerst vermutet, dass es sich um einen Terrorakt handelt.
Somit war der 11. September direkt oder indirekt ein großer Schock, sowohl psychologisch als auch für unsere politischen Systeme.
Obwohl der Terrorismus im Namen der Demokratie bekämpft wird, hat der Kampf aufgrund der offiziellen Gesetzgebung und der allgemeinen Angst in Wirklichkeit zu einer eindeutigen Schwächung der Demokratie geführt.
Ein beunruhigendes Merkmal der Anschläge vom 11. September ist, dass die Absicht dahinter schwer zu erkennen ist, außer dem Hass der Täter auf den Westen und seine Lebensart.
Doch haben die Hauptmerkmale des Westens, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, von den eigenen Verteidigern einen wesentlich härteren Schlag einstecken müssen als von ihren Angreifern.
Es sind vor allem zwei Schritte erforderlich, um in den Demokratien, die vom Vermächtnis des 11. Septembers betroffen sind, das Vertrauen in die Freiheit wiederherzustellen.
Erstens müssen wir sicherstellen, dass die einschlägigen Gesetze, die die Herausforderung des Terrorismus betreffen, ausschließlich vorübergehend sind.
Einige der heutigen Einschränkungen des Habeas-Corpus-Gesetzes und der Bürgerrechte haben nur begrenzte Gültigkeit. Sämtliche Vorschriften dieser Art sollten regelmäßig von den Parlamenten überprüft werden.
Zweitens, noch wichtiger ist, dass unsere Machthaber versuchen müssen, die allgemeine Besorgnis eher zu beruhigen als sie auszunutzen.
Die Terroristen, gegen die wir derzeit „Krieg“ führen, können nicht gewinnen, da ihre dunkle Vision niemals eine breite allgemeine Legitimität erhalten wird.
Die Demokraten haben somit umso mehr Grund, bei der Verteidigung ihrer Werte standhaft zu bleiben – vor allem, indem sie in Einklang mit ihnen handeln.
„Portfolioansatz“ beim Klimawandel
Die Welt hat bisher weitgehend erfolglos versucht, im Rahmen des Kyotoprotokolls die CO2-Emissionen zu senken.
Die enormen Anstrengungen, die es gekostet hat, das Protokoll in Kraft zu setzen, zeigen nichtsdestotrotz, wie viel Arbeit erforderlich sein wird, um das nächste Vertragswerk, das im Dezember 2009 in Kopenhagen verabschiedet werden soll, herbeizuführen.
Seine Befürworter werden auf kompromisslose und weit reichende Grundsätze drängen, doch wird es weiter starken Widerstand von über ihre wirtschaftliche Dynamik besorgten Ländern geben.
Die neuen Verhandlungen werden gegenüber den früheren Bemühungen einen Vorteil haben, denn den Regierungen ist inzwischen die Notwendigkeit eines Portfolios aus Anpassungs-, Abfederungs- und Forschungsmaßnahmen bewusst.
Neue Untersuchungen, die meine Kollegen und ich für das Copenhagen Consensus Center in Dänemark durchgeführt haben, befassen sich mit der Effektivität unterschiedlicher Reaktionen auf diese globale Herausforderung, bestätigen jedoch aus verschiedenen Gründen nachhaltig den Portfolioansatz.
Zunächst einmal wissen wir inzwischen, dass wir uns werden anpassen müssen, denn die Temperaturen werden bis ins Jahr 2100 um weitere 0,6° C steigen, selbst wenn wir schon morgen auf sämtliche Klimagase verzichten.
Wir wissen außerdem, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels global ungleichmäßig bemerkbar machen werden.
In einigen Gegenden könnten moderate Temperaturanstiege – sofern sich die mit ihnen einhergehenden Veränderungen in den Niederschlagsmustern nicht negativ auswirken bzw. eine Bewässerung praktikabel bleibt – zu höheren Ernteerträgen führen.
Selbst bei einer Erwärmung um 0,6° C jedoch wird es in Afrika und Südasien zu nahezu sofortigen Verringerungen der Anbaufähigkeit vieler Kulturpflanzen sowie letztendlich zur zunehmenden Anfälligkeit gegenüber vielen Infektionskrankheiten kommen.
Diese Auswirkungen werden eindeutig jene auf unserem Planeten am härtesten treffen, denen es ohnehin schon am schlechtesten geht: die „unterste Milliarde“, die durch Krankheiten, Armut, bewaffnete Konflikte und Unterernährung bereits jetzt am schwersten zu tragen haben.
Eine zentrale Herausforderung besteht daher darin, unsere Anpassungsfähigkeit dort zu erweitern und zu nutzen, wo dies am wichtigsten ist.
Langfristige Entwicklung mag die Fähigkeit einzelner Länder erweitern, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Umwelt und die Gesundheit ihrer Bürger zu begrenzen. In der Zwischenzeit jedoch sind die Ärmsten auf unserem Planeten auf die Hilfe der Reichen angewiesen.
Wir haben im Rahmen unserer Analyse z.B. die Vorteile untersucht, die sich kurzfristig aus stärker zielgerichteten Strategien ergeben würden: dem Kauf mückenresistenter Moskitonetze und oraler Malariamedikamente zur Rehydration von Kindern in den ärmsten vom Klimawandel betroffenen Ländern.
Ziel war es, einige der marginalen gesundheitlichen Auswirkungen aggressiv und vorausschauend in Angriff zu nehmen.
Die Vorteile würden fast sofort wirksam werden, sich jedoch im Laufe der Zeit, wenn sich die Volkswirtschaften entwickeln, auflösen.
Auch wenn sich durch zunehmende Entwicklung die Umstände verbessern würden, wäre eine langfristige Senkung der CO2-Emissionen angesichts sich verschärfender Auswirkungen des Klimawandels von zunehmender Bedeutung.
Da die Auswirkungen des Klimawandels in vielen Gegenden der Welt zu beobachten sind, ist es überall sinnvoll, über ihre Abfederung nachzudenken.
Wir haben jedoch festgestellt, dass eine derartige Abfederungalleineiner standardmäßigen Kosten-Nutzen-Prüfung nicht standhält.
Wir sind dabei von bis 2100 proportional zum weltweiten BIP ansteigenden vorgegebenen Jahreskosten für die Klimapolitik ausgegangen, wobei wir als Ausgangswert 18 Milliarden Dollar angenommen haben.
Die diskontierten Kosten des resultierenden Stroms jährlicher Festkosten beliefen sich so auf insgesamt 800 Milliarden Dollar, die durch diesen Ansatz vermiedenen Schäden jedoch auf einen diskontierten Wert von nur 685 Milliarden.
Die Studie Copenhagen Consensus untersuchte auch eine Portfoliooption von der Art, wie sie vom Intergovernmental Panel on Climate Change der Vereinten Nationen propagiert wird.
Wir wiesen für Forschung in grüne Technologien einen Betrag von 50 Milliarden Dollar aus, sodass für die wirtschaftlichen Kosten der Anpassungs- und Abfederungsmaßnahmen nur noch 750 Milliarden ausgegeben werden konnten.
Die Kluft zwischen CO2-freien und CO2 emittierenden Technologien verkleinerte sich, und die zur Absenkung der Emissionen konzipierten Steuern wurden effektiver.
Die Folge war, dass Forschung und Entwicklung sich im Wesentlichen selbst finanzierten und der diskontierte Gesamtnutzen der Investitionen im Wert von 800 Milliarden Dollar auf mehr als 2,1 Billionen Dollar stieg.
Dafür zu sorgen, dass Forschung und Entwicklung Teil des weltweiten Reaktionsportfolios sind, würde die Abfederungsbemühungen effizienter machen und ihre Fähigkeit zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Verlaufe des nächsten Jahrhunderts wesentlich erhöhen.
Diesem Nettonutzen liegen allerdings sehr konservative Annahmen über den Zeitrahmen der Emissionsreduzierungen und den Zeitpunkt, an dem man die Entwicklungsländer „ins Boot bekommt“, zugrunde.
Eine Optimierung der Investitionen innerhalb des Portfolios im Laufe der Zeit würde etwa den diskontierten Nutzen um mehr als das Dreifache erhöhen.
Der erwartete Nutzen würde weiter zunehmen, falls wir die Chance, dass potenziell höhere Klimasensibilitäten die Schäden verschärften, einbezögen. Dies freilich würde voraussetzen, dass wir ähnlich plausible niedrigere Klimasensibilitäten mit einbezögen, was Auswirkungen in die entgegensetzte Richtung hätte.
Der Kampf gegen den Klimawandel kann eine vernünftige Investition darstellen, obwohl weder Abfederungs- noch Anpassungsmaßnahmen allein ausreichen werden, um das Problem zu „lösen“.
Um insbesondere kurzfristig wirklich etwas zu bewirken, muss die Welt Abfederungs- und Anpassungsmaßnahmen mit zunehmender Forschung und Entwicklung im Bereich der CO2-Einsparungs- und der Sequestrierungstechnologie verbinden, was seinerseits die Entwicklung und wirtschaftliche Nutzung marktbasierender Anreize erfordert.
Ein „Rückstellknopf“ für Europas Hinterhof
STOCKHOLM – Ein Jahr nach dem Krieg in Georgien im letzten August ist es heutzutage populär den „Rückstellknopf“ für diplomatische Beziehungen zu drücken.
Präsident Barack Obama reiste unlängst nach Moskau, um die angespannten Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland „zurückzusetzen“.
Für die Europäische Union besteht zwar nicht die Notwendigkeit, wegen angespannter Beziehungen zu ihren östlichen Nachbarn etwas „zurückzusetzen“, aber mit einem tiefgehenden strategischen Umbau dieser Beziehungen ist sie gleichwohl befasst.
Im Mai brachte die EU ihre neue „Östliche Partnerschaft“ auf den Weg, um die weitere Integration mit den sechs unmittelbaren Nachbarn der Union zu fördern – Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, die Republik Moldau und Ukraine.
Die globale Finanzkrise hatte eine aktualisierte und gestärkte Politik für die östlichen Nachbarn der EU dringend erforderlich gemacht.
Ebenso wichtig war die Tatsache, dass alle beteiligten Länder die Motivation zum Ausdruck brachten, sich der EU weiter anzunähern.
Die Östliche Partnerschaft – die auf eine polnisch/schwedische Initiative zurückgeht – eröffnet den sechs Ländern eine erhebliche Erweiterung und Vertiefung der Beziehungen zur EU in wichtigen Bereichen.
Bei den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ist das Ziel klar festgelegt, weitreichende und umfassende Freihandelszonen zwischen der EU und den Partnerländern einzurichten.
Die Partnerschaft bestätigt eine vollständige Visaliberalisierung als langfristiges Ziel (einstweilen mit Abkommen über Visaerleichterungen), verspricht bessere Zusammenarbeit beim Thema Energiesicherheit, -diversifizierung und -effizienz und umfasst engagierte Programme und Projekte, die die Nachbarn bei ihren Integrations- und Reformbemühungen in allen diesen Bereichen unterstützen sollen.
Schwedens Übernahme der EU-Präsidentschaft in diesem Monat soll diese Bemühungen unterstützen.
Sie findet allerdings zu einer Zeit statt, in der die östliche Nachbarschaft der Union mit ernsten Herausforderungen konfrontiert ist, und sich die Finanz- und Wirtschaftskrise in vielen der Partnerländer mit voller Wucht niederschlägt.
Die Ukraine leidet unter dem starken Rückgang der weltweiten Nachfrage und des Handels und der daraus resultierenden enormen Schwächung seiner Stahlindustrie.
Georgiens Wirtschaftserfolg war weitgehend von ausländischen Direktinvestitionen abhängig, nach denen heute kaum verlangt wird.
Auf Partnerländer, die weniger in den globalen Markt integriert sind, wie etwa die Republik Moldau, steuert die Krise in langsamerem Tempo zu, doch der reale Effekt könnte genauso nachteilig sein und sie werden sich wahrscheinlich langsamer erholen.
Die Östliche Partnerschaft hat kein Mittel parat, das rasch Abhilfe für die Krise schaffen könnte.
Sie kann jedoch politische Rahmenbedingungen und Unterstützung beim Aufbau von Institutionen bieten, um an der Behebung der Mängel zu arbeiten, die diese Länder so anfällig für die Krise werden ließen: unvollkommene Marktwirtschaften, schwache staatliche Institutionen und anhaltende Korruption.
Das Angebot der Östlichen Partnerschaft einer umfassenden Integration mit der EU in Bereichen wie etwa Handel und Energie bringt beträchtliche transformative Kraft mit sich.
Die andere Art der Krise, in der sich die meisten der Partnerländer befinden, ist politischer Natur.
In den meisten dieser Länder hat die demokratische Entwicklung noch nicht den Punkt erreicht, an dem ein Regierungswechsel ein normaler Bestandteil des politischen Lebens ist und stattfinden kann, ohne die Stabilität des Landes zu riskieren.
Die Östliche Partnerschaft basiert auf den tiefgreifenden Werten der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.
Die politische Assoziierung mit der EU und der Prozess der Integration im Rahmen dieser Partnerschaft werden Reformen in diesen Schlüsselbereichen fördern.
Die schwedische EU-Präsidentschaft wird sich darauf konzentrieren, die konkrete Arbeit – das A und O – der Partnerschaft in Gang zu setzen.
Die Einrichtung „Umfassender Programme zum Institutionenaufbau“ zur Unterstützung der Reform wichtiger Institutionen in jedem der Partnerländer soll vor Jahresende stattfinden.
Auch einige der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Leuchtturmprojekte werden endlich Gestalt annehmen und wahrscheinlich werden neue Projekte und Initiativen entwickelt.
Dabei wird Schweden Programmen im Bereich Energieeffizienz besondere Bedeutung beimessen, die nicht nur der Verbesserung der Energiesicherheit zugute kommen und Kosten senken werden, sondern zudem einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten.
Die schwedische Präsidentschaft beabsichtigt, gemeinsam mit der Europäischen Kommission, das erste Treffen des Zivilgesellschaftlichen Forums im Rahmen der Östlichen Partnerschaft in diesem Herbst zu organisieren.
Wir hoffen den Beginn der parlamentarischen Zusammenarbeit, sowie den Austausch zwischen lokalen und regionalen Behörden der dreiunddreißig EU und Partnerländer zu erleben.
Am Jahresende werden die EU-Außenminister und ihre Kollegen der sechs Partnerländer zusammentreffen, um den bis dahin erreichten Fortschritt zu beurteilen und die weiteren Schritte zu lenken.
Bei der Östlichen Partnerschaft geht es um die EU-Integration, um die sechs Länder, die sich den Werten der EU, ihren Rechtsvorschriften und Arbeitsweisen weiter annähern und darum, dass die EU zur Verfügung steht, diese Annäherung zu fördern und zu unterstützen.
In Russland wird manchmal eine Auffassung gepflegt, die darauf schließen lässt, dass die Partnerschaft gegen Russland gerichtet sei.
Das entspricht natürlich nicht der Wahrheit.
Im Gegenteil: Russland wird, genau wie die Türkei, eingeladen sein, sich an relevanten Aktivitäten innerhalb der multilateralen Dimensionen der Partnerschaft zu beteiligen.
Die Östliche Partnerschaft ist keine Antwort auf alle Probleme und Schwierigkeiten, mit denen die sechs Partner konfrontiert sind.
Dennoch stellt sie eine klare Verpflichtung der EU dar, den Übergang und die Reform ihrer Partner durch die Bereitstellung ihrer politischen und wirtschaftlichen Unterstützung zu fördern – ein Prozess, der der gesamten Region Wohlstand und Stabilität bringen sollte.
Ein „dritter Weg“ im Umgang mit Russland
Was kann man tun, wenn der große Nachbar die bestehende Kluft zwischen seiner Kultur, die europäisch ist, und seinem politisch System, das zunehmend – zumindest im bösen alten Wortsinn des „orientalischen Despotismus“ – zunehmend „asiatisch“ ist, ausweitet?
Ist die beste Antwort auf Russlands neuerliche imperiale Ambitionen eine moderne Version einer auf Stabilität ausgerichteten Heiligen Allianz, darauf ausgelegt, dem neuen Außenseiter unserer Welt die Grenzen aufzuzeigen?
Bedarf es einer modernen Fassung der Konferenz von Jalta, die darauf abzielt, die politischen Grenzen Europas neu zu ziehen?
Oder könnte die Antwort lauten: ein bisschen von beidem?
Falls Russland sich zu etwas von der Art entwickelt, was das revolutionäre Frankreich unter Napoleon war, oder zu sowjetischer Form zurückfindet – abzüglich der totalitären Ideologie, aber mit Appetit auf Eroberungen und Rückeroberungen –, so bedarf es keiner „Liga der Demokratien“, wie sie von manchen Konservativen in Amerika befürwortet wird.
Nötig ist dann eine „Liga der Stabilität“, die prominente Akteure wie China, Indien und andere Länder einbezieht, welche mehr an wirtschaftlichem Wachstum interessiert sind als daran, innerhalb des internationalen Systems für Unruhe zu sorgen.
Eine derartige Strategie impliziert an erster Stelle eine solide Partnerschaft mit China – nicht, weil sich das Land in Richtung Demokratie entwickelt, sondern weil es eine Macht des Status quo ist.
Eine derartige Strategie könnte zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Iran führen, und natürlich dazu, dass die NATO weiter zusammenrückt.
Die Botschaft an den Kreml wäre glasklar.
„Macht euch nichts vor.
Nationalismus und Imperialismus bringen euch nicht weiter; ihr könnt euch nicht geografisch ausdehnen ohne ernste Kosten für euer Wirtschaftswachstum und euren persönlichen Wohlstand.
Europa mag schwach und uneinig sein; Amerika mag den Zenit überschritten haben – aber mit eurer abnehmenden Bevölkerung und dem von Öl und Gas abgesehen armseligen Zustand eurer Wirtschaft seid ihr schlicht nicht gerüstet, in der Liga der globalen Großmächte mitzuspielen.
China ist es; ihr nicht.“
Das Containmentargument scheitert freilich daran, dass der Kreml trotz allem weltweit Unruhe stiften kann, indem er in unverantwortlicher Weise mit Syrien oder Venezuela gemeinsame Sache macht.
Wichtiger noch: Die Welt allein gegen Russland zu sammeln, hieße, Russlands Großmachtansprüche allzu ernst zu nehmen.
Viele Asiaten etwa sind der Ansicht, dass Russland heute ein Problem für Europa darstellt, aber nicht mehr für die Welt als Ganze.
Nach dem Ende des Kalten Krieges war Japan weiter von Russland – als Nachfolger der Sowjetunion – besessen.
Heute machen sich die Japaner solche Sorgen über China, ihnen für die Angst vor Russland kaum Zeit bleibt.
Die Alternative zu einer Wiedergeburt des Containments bestünde darin, die russische Argumentation oder, genauer gesagt, die russische „Gefühlslage“ zu akzeptieren.
Dies liefe de facto darauf hinaus, zu erklären: „Wir haben euch während der letzten zehn Jahre unnötig gedemütigt.
Von der NATO-Erweiterung bis hin zur Gewährung der Unabhängigkeit an den Kosovo haben wir eure Empfindlichkeiten und Interessen bewusst ignoriert.
Wir sollten uns zusammensetzen wie Churchill, Roosevelt und Stalin in Jalta und die europäische Landkarte des 21. Jahrhunderts neu gestalten.
Was wollt ihr zurück?
Was behalten wir?“
Dieser Ansatz könnte Russlands droit de regard bezüglich der Entwicklung im Kaukasus anerkennen.
Tatsächlich hat sich Europa – obwohl es sich unter Führung von Nicolas Sarkozys Frankreich, das gegenwärtig die EU-Präsidentschaft innehat, kompromisslos gibt – de facto mit der Zerstückelung Georgiens abgefunden.
Russische Truppen sollen in Südossetien und Abchasien bleiben.
Der Westen ist nicht im Begriff, Russland zugunsten Georgiens, dessen Glaubwürdigkeit durch das unverantwortliche Vorgehen seines Präsidenten stark gelitten hat, den Krieg zu erklären.
Was die Ukraine angeht, so mag diese irgendwann Teil der EU werden, aber ihre Zukunft liegt nicht in der NATO.
Trotzdem, es gilt, einen dritten Weg zu finden zwischen totalem Containment, das sehr unwahrscheinlich und nicht unbedingt wünschenswert oder realistisch ist, und einem an Appeasement grenzenden Entgegenkommen, das Europas Zukunft gefährden würde – einen Weg, der auf ein paar wenigen, festen Prinzipien basiert.
Diese Prinzipien sind klar.
Erstens steht die territoriale Unverletzlichkeit der Ukraine nicht zur Disposition.
Dies ist schon oft gesagt worden, verliert jedoch durch Wiederholung nichts von seiner Bedeutung.
Russland ohne die Ukraine ist ein Nationalstaat, den man kontrollieren kann; Russland mit der Ukraine ist ein unbeherrschbares Imperium.
Zweitens: Selbst wenn der Westen Georgiens Unverantwortlichkeit verurteilt und Russlands Empfindlichkeiten, was seine komplexen historischen Gefühle in Bezug auf seine ehemaligen imperialen Territorien angeht, politisch berücksichtigt, ist die schamlose Brutalität des Kremls nicht hinnehmbar.
Dies ist schließlich Europa sechs Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg und fast 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.
Der Einsatz von Gewalt, um alte Rechnungen zu begleichen und einer Nation den Willen einer anderen aufzuzwingen, kann nicht passiv hingenommen werden.
Kurzfristig betrachtet, mag die Zeit aufseiten Russlands sein.
Langfristig ist sie, sofern wir an unseren Werten und Prinzipien festhalten, wirtschaftlich, demografisch, politisch und strategisch gesehen auf „unserer“ Seite.
Ein Sieg der Europaskepsis
Die vernichtenden Niederlagen, die viele Regierungen bei den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament erlitten, erschweren ihre Situation angesichts des in dieser Woche stattfindenden EU-Gipfels.
Nur unverbesserliche Optimisten können noch hoffen, dass dieses Gipfeltreffen ein Ruhmesblatt für eine dieser Regierungen wird.
Auf diesem Gipfel soll der Text der neuen EU-Verfassung endgültig festgelegt und ein neuer EU-Kommissionspräsident ernannt werden.
Angesichts der spektakulären Ablehnung, die eine Reihe der wichtigsten Regierungen an der Wahlurne erfahren haben und im Hinblick auf den starken Aufwärtstrend von Protestgruppierungen und euroskeptischen Parteien in mehreren Mitgliedsländern, werden die Verhandlungen noch schwieriger.
Das Problem für die europäischen Regierungschefs ist, dass ihre eigenen Wahlniederlagen nicht unbedingt die gleiche Botschaft vermitteln, wie der Aufstieg der euroskeptischen Parteien.
Der Rekordverlust für Gerhard Schröders regierende Sozialdemokraten in Deutschland hat wenig mit seiner Europapolitik zu tun, aber viel mit seiner Wirtschaftspolitik, die von den Wählern als gescheitert betrachtet wird, sowie mit dem anhaltend niedrigen Wachstum und der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Trotz des Erfolges der nationalistischen Parteien in Frankreich gilt das Gleiche auch für Schlappe der Mitte-Rechts-Partei von Präsident Jacques Chirac.
Im Gegensatz dazu war in Großbritannien, wo die Wirtschaft stark und die Arbeitslosenrate niedrig ist, der Hauptgrund für den Stimmenverlust der regierenden Labor Party der Zorn der Wähler über Tony Blairs Entschlossenheit an der Seite von George Bush in den Irak-Krieg zu ziehen.
Dennoch hat der Aufstieg euroskeptischer Parteien in einer Reihe von Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Belgien, Polen und Tschechien beunruhigende Implikationen für ein Gipfeltreffen, dessen Zweck es ist, die Europäische Integration einen kleinen, aber unverkennbaren Schritt vorwärts zu bringen.
Vor allem in Großbritannien kann der spektakuläre Aufstieg der UK Independence Party (UKIP) nur den langjährigen latenten Euroskeptizismus verstärken.
In der Verfassungsvorlage wird eine Grundrechtscharta enthalten sein, die die politische und moralische Legitimation der EU verstärken soll.
Wird sie allerdings auch die Rechte der EU-Bürger stärken?
Oder wird sie nur, wie die britische Regierung meint, eine Willenserklärung sein, in der lediglich Rechte beschrieben werden, die ohnehin bereits in den nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedsstaaten bestehen.
Der Verfassungsentwurf würde die grundsatzpolitischen Machtbefugnisse der Union verstärken, mit etwas mehr Mehrheitswahlrecht im Ministerrat und einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments.
Aber trotz Tony Blairs einmaliger Erklärung, Großbritannien „in das Herz Europas" rücken zu wollen, ist er nach wie vor unvernünftigerweise gegen eine weitere Integration und wird sich gegen jede Einmischung in die britische Souveränität in „sensiblen Bereichen" wie Steuern, Außenpolitik und die Beiträge zum EU-Budget verwahren.
Blairs Euroskeptizismus ist insofern verständlich, als er mit der britischen Befindlichkeit übereinstimmt.
Meinungsumfragen zeigen durchwegs, dass die britischen Wähler von der EU nur mäßig begeistert sind. Dieses Bild wird auch in der jüngsten Eurobarometer-Umfrage bestätigt, die in der ganzen Union im Auftrag der Kommission durchgeführt wurde - allerdings schon vor der Erweiterung von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten.
Eine Frage, die in dieser Umfrage immer gestellt wird, ist, ob die Wähler den verschiedenen Institutionen wie nationalen Parlamenten, nationalen Regierungen und der Europäischen Union vertrauen oder nicht.
Insgesamt ist das Vertrauen in die Europäische Union nicht allzu hoch: Nur 41 % der Wähler neigen dazu, der EU zu vertrauen, während 42 % dazu neigen, ihr nicht zu vertrauen.
In Großbritannien weichen diese Zahlen dramatisch ab: Nur 19 % vertrauen der EU, während ihr 55 % misstrauen.
Im Gegensatz dazu genießt das Europäische Parlament höheres Ansehen als die EU insgesamt: Während der durchschnittliche EU-weite Vertrauensgrad in das Europäische Parlament bei 54 % liegt, ist dieser Wert in Großbritannien nur bei 30 % angesiedelt.
In der gesamten EU sind 48 % der Bürger der Ansicht, dass die EU-Mitgliedschaft positiv zu bewerten sei, in Großbritannien sind nur 29 % dieser Ansicht.
Bei praktisch jeder Frage zeigen sich die britischen Wähler skeptischer als Wähler in anderen Ländern.
Man mag zur Ansicht gelangen, dass sich die Aversion der Briten gegenüber der EU mit ihrer Unterstützung und ihrem Stolz auf nationale Institutionen erklärt.
Dem ist aber nicht so.
Das Vertrauen der Briten in das Europäische Parlament mag zwar bei nur 30 % liegen, aber ihr Vertrauen in das britische Parlament ist noch viel geringer und liegt bei 19 % - was dem niedrigsten Wert innerhalb der EU entspricht.
Das Vertrauen in die nationale Regierung ist ein bisschen höher, liegt aber trotzdem nur bei 25 %, während das Vertrauen in die nationalen politischen Parteien überhaupt nur 10 % beträgt.
Beide Werte sind ebenfalls die niedrigsten in der ganzen EU.
Die Wähler in anderen Staaten haben zwar mehr Vertrauen in die Institutionen der EU, aber der Glaube an ihre eigenen Institutionen ist ebenfalls gering.
In Frankreich vertrauen 57 % dem Europäischen Parlament, während der Vertrauensgrad für das französische Parlament bei nur 29 % liegt. In Deutschland liegen die entsprechenden Werte bei 51 % beziehungsweise 23 %.
Der Widerspruch in der Umfrage ist allerdings, dass die europäischen Wähler der EU und ihren bestehenden Institutionen zwar nur mäßig begeistert gegenüberstehen, aber 65 % der Wähler trotzdem eine gemeinsame europäische Außenpolitik unterstützen und 72 % eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gutheißen würden. Sogar in Großbritannien wird eine gemeinsame Verteidigungspolitik von 52 % der Wähler unterstützt.
Das mag eine Reaktion auf den von den USA angeführten Krieg im Irak sein, aber Tony Blair wird eine gemeinsame Verteidigungspolitik genau aus diesem Grund ausschließen und eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ohne Großbritannien hätte wenig Sinn.
Das Dilemma der europäischen Staats- und Regierungschefs beim dieswöchigen Gipfel ist, dass sie an der Schwelle eines instabilen europäischen Integrationsprozesses stehen.
Um nach dem Beitritt von 10 neuen Mitgliedern funktionsfähig zu bleiben, muss die Integration noch weiter vorangetrieben werden.
Es ist allerdings überhaupt noch nicht klar, wie die Regierungen, die unter normalen Umständen für eine stärkere Integration eintreten würden, dies ihren desillusionierten Wählern verkaufen können.
Tony Blair hat eine Volksabstimmung über die neue EU-Verfassung versprochen, die er unmöglich gewinnen kann.
Die zentrale Frage wird sein, ob die europäischen Staats- und Regierungschefs bewusst auf die Verlierertaktik setzen, in der Hoffnung dass sich das Problem dadurch von selbst erledigt.
Ein schlechter Deal für Amerikas Zukunft
WASHINGTON, D.C.: Das unter Schmerzen ausgehandelte US-Haushaltsgesetz, das Präsident Barack Obama am 2. August unterzeichnet hat, kombiniert eine Anhebung der Schuldengrenze der amerikanischen Regierung mit Einschnitten bei den Bundesausgaben und bannt so die Aussicht auf den ersten Zahlungsverzug in der 224-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten.
Doch die Einigung hat drei wichtige Fehler.
Zwei davon gleichen einander aus; der dritte jedoch bedroht, was Amerika in den kommenden Jahren am meisten braucht: Wirtschaftswachstum.
Der erste Fehler ist, dass die Ausgabeverringerungen zeitlich schlecht abgepasst sind: Da sie zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die US-Konjunktur schwach ist, riskieren sie, eine weitere Rezession auszulösen.
Der zweite Mangel der Maßnahme ist allerdings, dass die Einschnitte bei den Ausgaben, die hier verhängt werden, bescheiden sind.
Während das Gesetz zu wenig tut, um Amerikas Problem chronischer und weiter steigender Haushaltsdefizite anzugehen, dürfte der Schaden, den es der Volkswirtschaft zufügt, begrenzt sein.
Der dritte und schädlichste Fehler freilich ist, dass die Ausgabesenkungen in den falschen Stellen erfolgen.
Weil die Demokraten im Kongress eine nahezu religiöse Hingabe zum uneingeschränkten Erhalt von Amerikas wichtigsten Wohlfahrtsprogrammen für Senioren, Social Security und Medicare, an den Tag legen, lässt das Gesetz beide unberührt.
Die Kosten dieser Programme werden steil ansteigen, wenn die 78 Millionen Menschen umfassende Baby-Boom-Generation – d.h. diejenigen, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden – in den Ruhestand geht und Leistungen erhält. Die größte Zunahme bei den Staatsausgaben und voraussichtlichen Defiziten der kommenden Jahre entfällt hierauf.
Und weil die Republikaner im Kongress eine gleichermaßen starke Allergie gegen Steuererhöhungen haben – egal wann und unter welchen Umständen –, sieht die Gesetzesvorlage keinerlei Steuererhöhungen für den in ihr vorgeschriebenen Defizitabbau vor, nicht einmal für die reichsten Amerikaner.
Alle Ausgabesenkungen entstammen dem „diskretionären“ Anteil des Bundeshaushalts, der Social Security, Medicare, das Medicaid-Programm für die Armen und die Zinsen auf die Staatsschuld ausklammert.
Damit bleibt für Einschnitte nur rund ein Drittel der gesamten Bundesausgaben übrig, und ein Großteil hiervon entfällt auf den Verteidigungshaushalt, den zu schützen die Republikaner sich bemühen werden.
Das heißt, die durch das Gesetz vom 2. August geschaffene Struktur konzentriert den Defizitabbau auf den diskretionären Teil des Bundeshaushalts abzüglich der Verteidigung, der lediglich etwa 10% des Haushaltsvolumens umfasst.
Dies ist ein zu kleiner Geldpool, um daraus eine Defizitreduzierung des Umfangs zu erreichen, wie sie die USA in den kommenden Jahren brauchen werden.
Schlimmer noch, die diskretionären Ausgaben abzüglich der Verteidigungsausgaben umfassen Programme, die für das Wirtschaftswachstum unverzichtbar sind – und Wirtschaftswachstum ist unverzichtbar für Amerikas künftigen Wohlstand und sein globales Standing.
Wachstum ist zunächst einmal die beste Möglichkeit, um die Haushaltsdefizite des Landes abzubauen.
Je höher die Wachstumsrate, desto mehr Einnahmen erzielt der Staat, ohne die Steuern anzuheben, und höhere Einnahmen ermöglichen kleinere Defizite.
Zudem ist wirtschaftliches Wachstum erforderlich, um das – für die einzelnen Amerikaner enorm wichtige – Versprechen zu halten, das jede Generation die Chance haben wird, wohlhabender zu werden als die vorherige. Der populäre Begriff hierfür ist „der amerikanische Traum“.
Genauso wichtig für Nichtamerikaner ist, dass nur ein robustes Wirtschaftswachstum gewährleisten kann, dass die USA ihre weit reichende Rolle in der Welt aufrechterhalten, die die Weltwirtschaft stützt und zur Stabilität in Europa, Ostasien und dem Nahen Osten beiträgt.
Wie Thomas L. Friedman und ich in unserem in Kürze erscheinenden Buch That Used To Be Us: How America Fell Behind in the World It Invented and How We Can Come Back erläutern, ist ein entscheidender Faktor für Amerikas wirtschaftlichen Erfolg eine fortdauernde öffentlich-private Partnerschaft, die bis zur Gründung des Landes zurückreicht und die durch das Muster der Haushaltskürzungen, das durch das Gesetz vom 2. August begründet wird, gefährdet wird.
Diese Partnerschaft umfasst fünf Komponenten: umfassendere Ausbildungsmöglichkeiten, um eine Erwerbsbevölkerung mit Spitzenfertigkeiten hervorzubringen; Investitionen in Infrastruktur – Straßen, Kraftwerke und Häfen –, die den Handel unterstützt; Mittel für Forschung und Entwicklung, um die Grenzen des Wissens auf Weisen auszuweiten, die neue Produkte hervorbringen; eine Einwanderungspolitik, die talentierte Menschen von außerhalb der US-Grenzen anlockt und im Lande hält; und eine wirtschaftliche Regulierung, die ausreichend stark ist, um Katastrophen wie den Beinahe-GAU des Finanzsystems 2008 zu verhindern, aber nicht so stringent, dass sie jene Risikobereitschaft und Innovation erstickt, die Wachstum hervorbringt.
Die ersten drei Elemente der amerikanischen Formel kosten Geld, und dieses Geld ist im diskretionären Teil des Bundeshaushalts unter Ausschluss des Verteidigungsbereichs enthalten, der jetzt durch das Gesetz zur Schuldenbegrenzung ins Visier genommen wird.
Eine Beschneidung dieser Programme wird Amerikas Wirtschaftswachstum langfristig verringern – mit negativen Folgen sowohl zu Hause als auch im Ausland.
Ein Defizitabbau durch Einschnitte bei der Finanzierung von Bildung, Infrastruktur und Forschung und Entwicklung ähnelt dem Versuch, abzunehmen, indem man sich drei Finger abschneidet.
Das meiste Gewicht bleibt, aber die weiteren Lebensaussichten verschlechtern sich erheblich.
Ein Abbau der Defizite zur Anhebung der Schuldengrenze war richtig, aber das Gesetz vom 2. August geht diesen falsch an.
Sofern eine weitere Defizitreduzierung, die unvermeidbar ist, nicht von der Begrenzung von Leistungsansprüchen und der Erhöhung der Einnahmen ausgeht und weniger von Programmen, die für das wirtschaftliche Wachstum lebenswichtig sind, wird das Ergebnis ein ärmeres, schwächeres Amerika sein – und eine unsicherere, wenn nicht gar instabile Welt.
Prinzipien für den Konvent zur Europäischen Verfassung
EU-Präsident Romani Prodi hat einen Vorschlag zur Stärkung der Exekutive der Union vorgelegt.
Großbritannien, Frankreich und Spanien arbeiten an einem Gegenplan, der die Exekutive der größten EU-Staaten stärken soll.
Was soll der normale Europäer davon halten?
Es gelingt den Bürgern Europas kaum, die zentralen Themen, die vom Konvent zur Erarbeitung einer Verfassung für die EU in Brüssel debattiert werden, zu erfassen.
Eine Fülle von Einzelheiten lässt die entscheidenden Themen untergehen; unfruchtbare, irreführende nationale Diskussionen, in denen "Euroskeptiker" gegen "Europhile" gegeneinander antreten, erzeugen zwar viel Lärm und Wut, doch für mehr Klarheit sorgen sie nicht.
Die Themen scheinen so kompliziert, dass selbst Zeitungen und Fernsehsender kaum mehr über die Aktivitäten des Konvents berichten.
Die EU-Bürger könnten indes für ein klareres Verständnis dessen sorgen, was der Konvent erreichen sollte, indem sie eine einfache Frage stellen: Wie sollten die staatlichen Aufgaben zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten verteilt werden?
Um diese Frage zu beantworten, ist eine präzise Vorstellung erforderlich, was der Staat tun sollte.
Der Staat sollte die Bürger in erster Linie mit Leistungen versorgen, die von öffentlichem Interesse sind: gemeinsame Verteidigung, Gesetzgebung und Regulierung, die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit.
Diese können auf verschiedenen Regierungsebenen bereitgestellt werden: lokal, regional, national oder supranational, d.h. auf EU-Ebene.
Aber welche Ebene ist die richtige?
In einigen Bereichen funktioniert Dezentralisierung, weil sie die Wünsche der verschiedenen lokalen und nationalen Gemeinschaften in Betracht zieht.
In unserer von gegenseitiger Abhängigkeit geprägten Welt, tendieren Entscheidungen, die auf lokaler Ebene gefällt werden jedoch dazu, Einfluss auf Bürger anderer Gemeinschaften und Länder zu haben.
Daher sollten bestimmte Leistungen einer größeren geographischen Einheit zugeteilt werden.
Die Entscheidungen Europas, wie Regierungsbefugnisse verschiedenen Ebenen zugewiesen werden, sollten auf dem Prinzip basieren, dass Europäische Institutionen ausschließlich für Maßnahmen verantwortlich sind, die eindeutig Größenvorteile haben oder bei welchen die Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern geringfügig sind.
Andere Funktionen - mit geringen externen Effekten und ausgeprägten Meinungsverschiedenheiten - sollten nationalen oder lokalen Regierungen überlassen werden.
Die Gründe sind klar: Bei geringfügiger gegenseitiger Abhängigkeit entstehen aus einer Zentralisierung nur begrenzt Vorteile; stark voneinander abweichende Meinungen bedeuten hohe Kosten bei der Harmonisierung.
Der Euro etwa bringt durch den Größeneffekt Vorteile mit sich. Er begünstigt internationalen Handel und vermeidet negative externe Effekte.
Die italienische Lira kann nicht mehr abgewertet werden, um italienische Exporte zum Nachteil der Franzosen zu fördern, gefolgt von einer Reaktion der Franzosen usw. Dennoch sorgen die unvollkommen synchronisierten Konjunkturzyklen der Mitgliedsländer für unterschiedliche Ansichten über die Währungspolitik.
Europa hat -zu Recht- entschieden, dass die Vorteile des Euro die Kosten der Diversifizierung aufwiegen.
Würde man jedoch in der Bildungspolitik allen Mitgliedern das gleiche öffentliche Bildungssystem auferlegen, würde man keinen Größenvorteil schaffen.
Es gibt zwei herausragende Bereiche bei den öffentlichen Aufgaben, die umfangreiche Größenvorteile oder externe Effekte haben: der Gemeinsame Markt und Wettbewerb und die Außenpolitik und Verteidigung.
Ersterer umfasst Antitrust, Handel und die gemeinsame Währung.
Einige sind der Auffassung, dass die Fiskalpolitik -von der Strukturierung der Steuer über Sozialleistungen bis hin zum Ausgleich des Haushalts - ebenfalls harmonisiert werden sollte.
Eine mechanisch durchgeführte Harmonisierung, würde jedoch aufgrund unterschiedlicher nationaler Präferenzen schwierig werden und könnte Widerstand auslösen.
Aus einer verfassungsmäßigen Sicht hat Fiskalpolitik keine wirkliche raison d'être.
In der amerikanischen Verfassung sind zum Beispiel keine ausgeglichenen Haushalte für die Staaten vorgeschrieben.
Nur unter besonderen Umständen könnte eine fiskalische Harmonisierung gerechtfertigt sein: Verbote von steuerlichen Anreizen etwa, die eingesetzt werden, um den Wettbewerb oder internationalen Handel einzuschränken oder um den Kapitalverkehr zu begrenzen.
Außen- und Militärpolitik gehören par excellence zur Regierungsspitze.
Es gibt klare externe Effekte und Größenvorteile.
Es wäre absurd, wenn New York in Amerika eine andere Außenpolitik verfolgen würde als Texas.
In Europa ist es nicht viel anders.
Die Erweiterung der Union um neue Mitglieder bedeutet, dass es sogar noch mehr interne Differenzen geben wird, was wiederum bedeutet, dass eine weniger zentralisierte Politik gerechtfertigt ist.
Diese Erwägungen legen eine Reihe von Prinzipien für die Mitglieder des Konvents nahe:
1. Die Europäische Verfassung sollte eindeutig festlegen, welche Vorrechte Europa und welche den Mitgliedsstaaten gehören.
Im Zweifelsfall legt das Prinzip der Nachordnung nahe, dass Nationalstaaten den Vorrang behalten;
2. Institutionen auf europäischer Ebene sollten die Funktionalität der Märkte, einschließlich Wettbewerb, Wirtschafts- und Währungspolitik gewährleisten;
3. Fiskalische Bereiche sollten größtenteils dezentralisiert bleiben, abgesehen von weinigen Ausnahmen;
4. Außenpolitik und Verteidigung sind Bereiche föderaler Zuständigkeit, die zur rechten Zeit und auf rechte Art und Weise an Europa delegiert werden;
5. Die Schaffung neuer Bereiche föderaler Zuständigkeit sollte von Entscheidungsfindungs-Mechanismen begleitet sein, wie sie bei wahrhaft repräsentativen Demokratien zu finden sind.
Also "Keine Zentralisierung ohne Repräsentation".
Wie die Tabelle zeigt, weicht die EU von heute leider enorm von diesen Prinzipien ab. Die Landwirtschaft, die 2% des europäischen BIP repräsentiert, ist für 40% der europäischen Ausgaben verantwortlich.
Aufteilung nach Tätigkeitsbereichen der Europäischen Union
Europa eröffnet sich eine historische Gelegenheit.
Die Väter der amerikanischen Verfassung schrieben ein Dokument, dass in seiner grundlegenden Struktur seit über 200 Jahren Bestand hat.
Die Gesellschaft, mit der sich die Mitglieder des Europäischen Konvents auseinandersetzen müssen, ist in vielerlei Hinsicht anders und bei weitem komplexer.
Aber sie können vergleichbare Weisheit und Weitsichtigkeit beweisen.
Eine ausgeglichene Betrachtung der chinesisch-amerikanischen Ungleichgewichte
PEKING – Bis zum Juli 2007 waren sich die meisten Ökonomen einig, dass die globalen Ungleichgewichte die größte Gefahr für das globale Wachstum darstellten.
Es wurde behauptet, dass die steigende Netto-Auslandsschuldenquote der Vereinigten Staaten – das Ergebnis chronischer Leistungsbilanzdefizite – die Kapitalzuflüsse stark drosseln würde, was wiederum den Dollar schwächen, die Zinssätze in die Höhe treiben und die US-Wirtschaft in die Krise stürzen würde.
Doch hat sich dieses Szenario nicht bewahrheitet.
Stattdessen ist die Krise auf das US-Hypothekendebakel zurückzuführen, das die Weltwirtschaft rasch in die tiefste Rezession seit den 1930er Jahren hinabzog.
Die meisten Ökonomen haben die wirtschaftliche Dynamik, die tatsächlich zur Krise führte, nicht vorhergesehen, da sie die rasante Zunahme der US-Gesamtverschuldung nicht genug beachteten.
Stattdessen konzentrierten sie sich ausschließlich auf die US-Auslandsschulden und ignorierten die private Verschuldung (Hypotheken- und Verbraucherschulden), öffentliche Schulden, Unternehmensschulden und Finanzschulden.
Insbesondere auf die Tragfähigkeit der amerikanischen Hypotheken- und Verbraucherschulden hätten sie mehr achten sollen.
2007 lag das Verhältnis der Hypotheken- und Verbraucherschulden zum BIP bei über 90 %, gegenüber Netto-Auslandsschulden von 24 %.
Selbstverständlich unterscheiden sich die verschiedenen Schuldenkomponenten erheblich in ihrem Charakter und ihren Finanzierungsquellen – und somit in ihrer Tragfähigkeit.
Aber alle Bestandteile der Gesamtschulden eines Landes und ihre Finanzierungsarten sind miteinander verbunden.
Daraus ergeben sich zwei Dinge.
Erstens, die Mittel aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen sind zu einem gewissen Grad austauschbar: Fehlende Mittel für eine Komponente der Gesamtschulden können durch überschüssige Mittel ergänzt werden, die ursprünglich für die Finanzierung anderer Komponenten bestimmt waren.
Zweitens, Schwierigkeiten in irgendeiner Komponente der Gesamtschulden haben Auswirkungen auf alle anderen Komponenten.
Nachdem die Hypothekenkrise ausgebrochen war, zahlten die Privathaushalte einen Teil der Hypotheken- und Verbraucherschulden entweder mit ihren Ersparnissen oder wurden zahlungsunfähig.
Die Verringerung der US-Gesamtschulden und das Schrumpfen der Finanzierungslücke zwischen den Gesamtschulden und den Inlandsmitteln führten 2008 und 2009 zu einer erheblichen Verbesserung des US-Leistungsbilanzdefizits, was die Behauptung von US-Notenbankchef Ben Bernake widerlegte, dass das Defizit durch ein globales „Überangebot an Ersparnissen“ verursacht wurde.
Tatsächlich wurde Amerikas Leistungsbilanz stärker, obwohl der Dollar durch die Nachfrage nach einem „sicheren Hafen“ an Wert zulegte.
Doch aufgrund des Schuldenabbaus im Privatsektor und einer Zunahme der privaten Ersparnisse glitt die US-Wirtschaft, die von Schulden und Konsum angetrieben wird, leider in die Rezession ab.
Um die negative Wirkung des Schuldenabbaus im Privatsektor auszugleichen, hat die US-Regierung eine expansive Fiskal- und Geldpolitik betrieben.
Nun, nachdem die Privatschulden nach einer fieberhaften Intervention der Regierung auf Messers Scheide gehalten wurden, haben sich die Staatsfinanzen drastisch verschlechtert und die Leistungsbilanz ist wieder schwächer geworden.
Die Tragfähigkeit der Staatsschulden hat die Tragfähigkeit der Privatschulden als größte Gefahr für die Finanzstabilität abgelöst, und der Schwerpunkt der Debatte über die US-Leistungsbilanz hat sich von der Tragfähigkeit der Auslandsschulden auf die Auswirkungen des Auslandsschuldenabbaus auf Wachstum und Beschäftigung verlagert.
Das Dilemma, vor das sich die politischen Entscheidungsträger in den USA gestellt sehen, ist, wie sie das Wachstum ankurbeln sollen, während sie den Gesamtschuldenstand senken.
Die beste Möglichkeit, beide Ziele zu erreichen, besteht darin, die Exporte zu steigern, indem man die US-Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Doch woher soll die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit kommen?
Eine Abwertung des Dollars könnte die Wettbewerbsfähigkeit der USA kurzfristig verbessern, aber das ist keine Lösung.
Da sich die Anleger nun aufgrund der raschen Verschlechterung der Haushaltslage Sorgen über Kapitalverluste bei US-Staatsanleihen machen, würde eine Abwertung Ausländer noch zögerlicher machen, Amerikas Haushaltsdefizit zu finanzieren.
Wenn keine Finanzierung aus dem Ausland kommt, werden die Zinsen für US-Staatsschulden steigen, und die US-Wirtschaft wird in die Rezession zurückfallen.
Langfristig muss Amerikas Wachstumsmuster einer strukturellen Veränderung unterzogen werden – von der Abhängigkeit von Schulden und Konsum hin zu einem Wachstum, das auf der viel gepriesenen Kreativitäts- und Innovationsfähigkeit der Amerikaner beruht.
Erst dann wird Amerika seine Wettbewerbsfähigkeit so sehr steigern, dass der Staat sowohl die privaten als auch die öffentlichen Schulden auf ein tragfähiges Niveau senken und gleichzeitig eine ansehnliche Wachstumsrate beibehalten kann.
Doch weder die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit noch die Verringerung der Gesamtschulden kann über Nacht erreicht werden.
Kurzfristig wird das US-Leistungsbilanzdefizit bleiben, unabhängig davon, welches Land bilaterale Überschüsse erwirtschaftet.
Daher ist Chinas beständige Reinvestition seines Leistungsbilanzüberschusses in US-Staatsanleihen äußerst wichtig für das Wachstum und die Finanzstabilität der USA.
Zumal Amerika stark davon profitiert, dass China US-Staatsanleihen kauft, ist es schwer verständlich, warum die US-Regierung und der Kongress sich so sehr über das bilaterale Leistungsbilanzdefizit beklagen.
Ebenso schwer zu verstehen ist, warum es China so sehr widerstrebt, seinen bilateralen Überschuss zu reduzieren, zumal die Gewinne für seine massiven Bestände an US-Staatsanleihen dürftig sind und das Risiko gewaltiger Kapitalverluste in der Zukunft weiterhin fortbesteht.
Die gute Nachricht lautet, dass sowohl Amerika als auch China im Anschluss an den jüngsten Washington-Besuch von Präsident Hu Jintao positive Schritte unternommen haben, um ihre Differenzen hinsichtlich der bilateralen Leistungsbilanz zu beseitigen.
Das ist ein gutes Vorzeichen für einen rationaleren und konstruktiveren chinesisch-amerikanischen Dialog über globale Ungleichgewichte, von dem die Weltwirtschaft gewiss profitieren würde.
Kleine Schritte in Richtung Bankenunion
BRÜSSEL – Zu Beginn der Finanzkrise hörte man oft das prägnante Wort von Charles Goodhart, Banken seien „international im Leben und national im Sterben“.
Damals (2008 bis 2009) mussten große internationale Banken von den Regierungen ihrer Heimatländer gerettet werden, als sie in Schwierigkeiten steckten.
Aber jetzt ist das Gegenteil ein Problem in Europa: Banken sind „national im Leben, aber europäisch im Sterben“.
Aber ihr Widerstand gegen die Aufbereitung von Problemen zuhause reicht noch tiefer.
Bis vor kurzem hielten die spanischen Behörden daran fest, dass die Probleme im Immobiliensektor ihres Landes nur vorübergehende seien.
Wenn sie die Wahrheit zugegeben hätten, wäre das darauf hinausgelaufen, dass sie jahrelang das Entstehen einer Blase im Baugewerbe übersehen haben, die jetzt das gesamte Land in den Bankrott zu treiben droht.
In Irland war die Situation zunächst nicht viel anders.
Als die Probleme an die Oberfläche kamen, behauptete der damalige Finanzminister, das Land würde „die billigste Bankenrettung durchführen, die jemals durchgeführt wurde“.
Angesichts der vorhersehbaren Tendenz der nationalen Aufsichtspersonen, die Probleme zuhause zu übersehen, erschien es nur logisch, dass die Kosten für die Rettung insolventer Banken auch auf nationaler Ebene getragen würden.
Es schien sinnvoll zu sein, dass auch in der Eurozone die Bankenaufsicht überwiegend in nationaler Hand blieb.
Die vor kurzem geschaffene europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat nur beschränkte Befugnisse gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden, deren tägliche Arbeit hauptsächlich von nationalen Erwägungen geleitet wird.
Aber die Realität hat gezeigt, dass dieser Ansatz nicht haltbar ist.
Probleme können auf nationaler Ebene entstehen, aber aufgrund der Währungsunion bedrohen sie schnell die Stabilität des gesamten Bankensystems der Eurozone.
Auf ihrem Gipfel im Juni haben die europäischen Spitzenpolitiker endlich eingesehen, dass diese Situation geändert werden muss und haben der Europäischen Zentralbank Verantwortung für die Bankenaufsicht in der Eurozone übertragen.
Angesichts der Tatsache, dass die Finanzintegration innerhalb der Währungsunion besonders stark ist, war es ein nahe liegender Schritt, die EZB in dieser Hinsicht zu stärken.
Zudem trägt die EZB de facto bereits Verantwortung für die Stabilität des Bankensystems innerhalb der Eurozone.
Aber bisher musste sie große Summen an Banken verleihen, ohne deren Solidität überprüfen zu können, weil die Informationen in den Händen der nationalen Behörden lagen, die sie eifersüchtig bewachten und die Probleme normalerweise solange verdrängten, bis es zu spät war.
Der EZB Verantwortung zu übertragen müsste auch helfen, den schleichenden Desintegrationsprozess anzuhalten, der nicht öffentlich sichtbar, aber trotzdem sehr real ist.
Man braucht nur eine der großen internationalen Bankengruppen zu fragen, die ihre Zentrale in einem finanziell unter Druck stehenden Land der Eurozone haben.
Nehmen wir eine Bank mit der Zentrale in Italien und einer großen Tochtergesellschaft in Deutschland.
Die deutschen Geschäfte generieren normalerweise einen Gewinn an Geldmitteln (da die Sparquote in Deutschland die Investitionen im Durchschnitt weit überschreitet).
Die Muttergesellschaft möchte diese Mittel nun verwenden, um die Liquidität des Konzerns zu stärken.
Aber die deutschen Aufsichtsbehörden sehen in Italien einen Risikokandidaten und verweigern die Genehmigung für einen Transfer.
Die Aufsichtsbehörde des Ursprungslandes (Italien) hat das gegenteilige Interesse.
Sie müssen viel schneller handeln, um den Euro zu retten.
Ein Berliner Konsens?
HONGKONG – Vor kurzem hat mich eine Reise nach Berlin an einen früheren Besuch dort im Sommer 1967 erinnert, als ich ein armer Student war und die Mauer bestaunte, die eine ganze Gesellschaft für zwei weitere Jahrzehnte teilen und verwüsten würde.
Heute ist Berlin wieder lebendig und jung, aufgebaut durch die harte Arbeit und die Bereitschaft der Deutschen, für die Wiedervereinigung des Landes Opfer zu bringen. Ein passender Ort für die Konferenz des Institute for New Economic Thinking (INET), die ich dort besuchte.
Das Thema der Konferenz war „Paradigm Lost“. Mehr als 300 Ökonomen, politische Wissenschaftler, Systemanalytiker und Ökologen suchten nach neuen theoretischen Ansätzen für Wirtschaft und Politik, die den Herausforderungen und Ungewissheiten, verursacht durch steigende Ungleichheit, wachsende  Arbeitslosigkeit, die globale Finanzkrise und den Klimawandel, Rechnung tragen.
Fast alle waren sich einig, dass das alte Paradigma der neoklassischen Ökonomie keine Gültigkeit mehr besäße. Auf einen Ersatz konnte man sich allerdings nicht einigen.
Nobelpreisträger Amartya Sen führte die europäische Krise auf ein vierfaches Versagen zurück: politisch, wirtschaftlich, sozial und intellektuell.
Die globale Finanzkrise, die 2007 als US-Subprime-Krise begann und sich zu einer europäischen Staatsschuldenkrise (und Bankenkrise) ausweitete, hat Fragen aufgeworfen, die wir aufgrund von Überspezialisierung und Wissensfragmentierung nicht beantworten können.
Und doch können wir nicht leugnen, dass die Welt für eine einfache, übergreifende Theorie zur Erklärung anspruchsvoller wirtschaftlicher, technischer, demographischer und ökologischer Veränderungen zu komplex geworden ist.
Besonders der Aufstieg der Schwellenländer stellt eine Herausforderung für die traditionelle deduktive und induktive Logik des Westens dar.
Deduktive Schlussfolgerungen ermöglichen es uns, Folgen vorauszusehen, wenn wir die Prinzipien (die Regel) und die Ursache kennen.
Durch induktive Schlussfolgerungen schließen wir die Prinzipien aus der Ursache und den Folgen.
Östliches Denken dagegen geht abduktiv von einem pragmatischen Ansatz aus und versucht, die nächsten Schritte daraus abzuleiten.
Abduktive Schlussfolgerungen sind pragmatisch und ergebnisorientiert, leiten die Regel her und identifizieren die Ursache.
Wie in der Geschichtsschreibung wird auch die sozial-wissenschaftliche Theorie von den Siegern geschrieben und vom Kontext und von den Herausforderungen der Zeit geformt.
Die Theorie vom freien Markt geht auf angelsächsische Theoretiker zurück (viele von ihnen Schotten), die auswanderten, Länder kolonisierten und dabei glücklichen Einzelpersonen die Vermutung nahelegten, dem Konsum seien keine Grenzen gesetzt.
Aufgrund der Urbanisierung und der Notwendigkeit einer sozialen Ordnung betonten die Theoretiker in Kontinentaleuropa die institutionelle Analyse im Rahmen der Wirtschaftspolitik.
So kam es, dass das Entstehen der neoklassischen Ökonomie im 19. Jahrhundert stark von der Physik Newtons und Descartes‘ beeinflusst war und sich von der qualitativen Analyse zur Quantifizierung menschlichen Verhaltens entwickelte, indem sie rationales Verhalten voraussetzte und Ungewissheiten ausklammerte.
Dieses Denken vom „vorbestimmten Gleichgewicht“ – reflektiert auch in der Ansicht, dass sich Märkte stets selbst regulieren – führte zu einer politischen Lähmung bis zur Weltwirtschaftskrise von 1929, als sich das Argument John Maynard Keynes' für einen Eingriff des Staates zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und zum Ausgleich von Produktionslücken allmählich durchsetzte.
Bis in die 70er Jahre hinein setzte die neoklassische Schule des allgemeinen Gleichgewichts die Wirtschaftsthesen von Keynes in reale Modelle um, die davon ausgingen, dass die „Finanzwelt  ein Schleier“ und daher blind für die destabilisierende Wirkung des Finanzmarktes sei.
Ökonomen wie Hyman Minsky, der versuchte, dies zu korrigieren, wurde weitgehend ignoriert, als Milton Friedman und andere den Vormarsch der Profession in Richtung freie Märkte und minimale staatliche Intervention anführten.
Aber dann brachten Technologie, Demographie und Globalisierung dramatische neue Herausforderungen mit sich, die der neoklassische Ansatz nicht hatte vorhersehen können.
Als die am weitesten entwickelten Länder der Welt ihren aus den Fugen geratenen Konsum mit Derivaten finanzierten, begannen vier der sieben Milliarden Menschen der Welt, sich auf einen mittleren Einkommensstatus zuzubewegen, was die globalen Ressourcen unter erheblichen Druck setzt und die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit aufwirft.
Um diese grundlegenden und systemrelevanten Veränderungen zu bewältigen, und um Giganten wie China und Indien in die moderne Welt zu integrieren, brauchen wir eine neue Art zu denken.
Nicht nur der Westen muss umdenken, sondern auch der Osten.
1987 hat Ray Huang das für China so erklärt:
            “Während die Welt in das moderne Zeitalter eintritt, müssen sich die meisten Länder unter internem und externem Druck selbst neu erfinden, indem sie die Regierungsform, die in der Agrarerfahrung verwurzelt ist, durch ein neues Regelwerk ersetzen, das auf dem Handel beruht… Das ist einfacher gesagt als getan.
Der Erneuerungsprozess könnte die oberen und unteren Gesellschaftsschichten betreffen, und es wird notwendig sein, die institutionellen Verbindungen zwischen ihnen aufzuarbeiten.
Umfassende Zerstörung ist oft vonnöten, und es kann Jahrzehnte dauern, bis die Arbeit vollbracht ist.“
Wenn wir diesen makrohistorischen Rahmen verwenden, begreifen wir die japanische Deflation, die europäischen Schulden und sogar den arabischen Frühling als verschiedene Phasen einer Systemveränderung innerhalb komplexer Strukturen, die miteinander in einem neuen, multipolaren globalen System interagieren.
Wir werden Zeugen einer globalen Konvergenz (dem Abbau von Einkommens-, Vermögens- und Wissensunterschieden der einzelnen Länder untereinander) und gleichzeitig einer lokalen Divergenz (dem Aufbau der Einkommens-, Vermögens- und Wissensunterschiede innerhalb der einzelnen Länder).
Adaptive Systeme haben mit Ordnung und Kreativität zu kämpfen, während sie sich weiter entwickeln.
Bereits der Philosoph Bertrand Russell formulierte weitsichtig: „Sicherheit und Gerechtigkeit erfordern eine zentrale Regierungskontrolle, die auf die Schaffung einer Weltregierung übertragen werden muss, wenn sie effektiv sein soll.
Fortschritt dagegen erfordert den weitestmöglichen Rahmen für Eigeninitiative, der noch mit der sozialen Ordnung vereinbar ist.“
Eine neue Welle dessen, was der Ökonom Joseph Schumpeter „schöpferische Zerstörung“ nannte, ist im Entstehen begriffen: Obwohl Banken die Märkte mit Liquidität überschwemmen, schrumpft die Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte.
Wir leben in einer Zeit gleichzeitiger Inflation und Deflation, von noch nie da gewesenem Wohlstand inmitten einer wachsenden Ungleichheit sowie technologischem Fortschritt und gleichzeitiger Erschöpfung der Rohstoffe.
In der Zwischenzeit versprechen die bestehenden politischen Systeme gute Jobs, solide Regierungsführung, eine nachhaltige Umwelt und soziale Harmonie ohne Opfer – ein Paradies der eigennützigen Trittbrettfahrer, das nur durch den Verlust der natürlichen Umgebung und des Wohlergehens zukünftiger Generationen aufrecht erhalten werden kann.
Wir können den Schmerz der Anpassung nicht auf ewig durch Gelddrucken verdrängen.
Nachhaltigkeit kann nur erzielt werden, wenn die Wohlhabenden willens sind, für die Habenichtse Opfer einzugehen.
Der Washington Consensus, der den Entwicklungsländern Wirtschaftsreformen  vorschrieb, ist seit zwei Jahrzehnten beendet.
Die INET-Konferenz in Berlin hat die Notwendigkeit eines neuen Konsenses klar gemacht – ein Konsens, der die Opferbereitschaft im Interesse der Einheit unterstützt.
Europa kann es gebrauchen.
Ein besseres und sichereres Europa
Mit der Aufnahme ehemaliger Sowjetrepubliken wie Estland, Lettland und Litauen in die NATO wird für viele, auch für mich selbst, ein Traum wahr.
Als die Idee einer NATO-Erweiterung in die baltischen Staaten vor ungefähr zehn Jahren zum ersten Mal auftauchte, wurde sie nur von sehr wenigen Menschen ernst genommen.
Bis vor kurzem war auch Russlands entschlossene Opposition ein ernsthaftes Hindernis, weil dadurch der Eindruck entstand, dass Russland sein so genanntes ,,umgebendes Ausland" als spezielle Interessens- und Einflusszone betrachtet.
Mit der NATO-Erweiterung wird nun klargestellt, dass im neuen Europa kein Land als Teil einer ,,Einflusszone" eines anderes Landes gilt.
Für die drei kleinen baltischen Staaten ist dadurch gewährleistet, dass der Albtraum einer Besetzung durch Nachbarstaaten, den sie ein halbes Jahrhundert über sich ergehen lassen mussten (zunächst durch Hitlers Deutsches Reich und dann durch Stalins UdSSR) nicht noch einmal über sie hereinbricht.
Durch die Überwindung revanchistischer Tendenzen in Russland gegenüber den baltischen Staaten, wird Europa sicherer und Russland erhält Unterstützung in seinen Bemühungen, sich künftig als Nationalstaat und nicht als Zarenreich zu definieren.
Die Erweiterung schafft auch ein besseres Europa, weil damit der Kreis derjenigen Länder erweitert wird, die sich den politischen Werten, den damit verbundenen individuellen Rechten und Minderheitenrechten der NATO verpflichten.
Glücklicherweise scheint sich Russland momentan dieses politischen Aspektes der NATO-Erweiterung bewusst zu werden.
Und dies auch völlig zurecht: Die Erweiterung der NATO ist keine ,,Expansion", die Russland oder andere Länder, die nach demokratiepolitischen Reformen streben, bedroht.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit der Erweiterung verschwinden auch die - echten oder eingebildeten - Bedenken hinsichtlich der Situation der russischsprachigen Bevölkerung, die heute außerhalb Russlands, aber innerhalb der früheren Grenzen der Sowjetunion lebt.
Die Bürgerrechte der russischen Minderheiten in den baltischen Staaten und anderswo werden nun in Gesetzesform gegossen, nicht zuletzt, weil die NATO dies gefordert hat.
Diese Bürgerrechtsinitiativen der NATO spiegeln die zunehmend professionelle Art wider, in der Russland, Europa und Amerika momentan ihre Meinungsverschiedenheiten lösen.
So kommt die NATO-Erweiterung nur ein paar Tage nach dem zwischen Russland und der EU erzielten Abkommen in der schwierigen Frage des Transits zur russischen Enklave Kaliningrad.
Dieser kleine, am baltischen Meer gelegene Teil Russlands mit einer Million Einwohnern liegt genau zwischen den zwei zukünftigen EU-Mitgliedsstaaten Polen und Litauen.
Diese geografische Lage hätte zu einer komplizierten Situation für Russen geführt, die bei einer Reise zwischen Kaliningrad und Russland mit strengen Visumbestimmungen konfrontiert gewesen wären.
Nun wurde von Präsident Putin und der EU ein Abkommen unterzeichnet, das diesen Transit erleichtert, ohne dadurch den Status Polens oder Litauens innerhalb der EU zu gefährden.
Dies wiederum führte dazu, dass sich alle Beteiligten als Gewinner fühlen, was für die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Russland von eminenter Bedeutung ist.
Wenn die EU-Osterweiterung vom Europäischen Rat im nächsten Monat in Kopenhagen endgültig beschlossen wird, steht eines schon fest: Aus Europa wurde dank der Entscheidungen der NATO und der EU im entscheidenden Herbst 2002 ein sicherer und besserer Platz zum Leben.
Das ist allerdings kein Grund für Selbstgefälligkeit, denn die wirklich harte Arbeit liegt noch vor uns: Der Umgang mit all den internen praktischen und politischen Problemen, die diese Erweiterungen mit sich bringen werden, und auch die Verhandlungen mit Ländern in der Warteschleife, von denen vor allem Russland hier angeführt sei.
Wenn Europa weiterhin die Lebensqualität seiner Bürger verbessern und auf ihre Sicherheitsbedürfnisse angemessen reagieren will, sind die Beziehungen zu Russland von essenzieller Bedeutung.
Die gemeinsame Bedrohung durch den internationalen Terrorismus muss gemeinsam bewältigt werden.
Wir müssen uns gegenseitig davon überzeugen, dass wir im Kampf gegen den gemeinsamen Feind das Sicherheitsbedürfnis und die Menschen- und Minderheitenrechte genauestens gegeneinander abzuwiegen haben.
Kaliningrad könnte der Lackmustest für diese Beziehungen sein.
Mit dem Transit-Übereinkommen ist die erste Hürde schon genommen.
Die nächste Herausforderung ist die Unterstützung Kaliningrads im Kampf gegen Krankheiten und Verbrechen sowie die Stärkung seiner wirtschaftlichen und sozialen Strukturen.
Dabei wird die Großzügigkeit der EU ebenso gefordert sein, wie die Flexibilität Moskaus.
Im weiteren Sinne könnte dies zu einer Stärkung der so genannten nördlichen Dimension der EU führen, wo man sich das Ziel einer Freihandelszone aller Länder rund um das baltische Meer gesetzt hat.
Derartige Großprojekte können verwirklicht werden, wenn der entsprechende politische Wille vorhanden ist und auch durchgesetzt werden kann.
Noch vor ein paar Jahren waren EU- und NATO-Erweiterungen Utopien.
Aber durch Entschlossenheit und politischen Willen konnten Utopien in die Realität umgesetzt werden.
Jetzt ist es für Europa an der Zeit, sich neue ambitionierte Ziele zu setzen.
Ein besserer Weg, atomare Risiken zu verringern
Als ich 1977 im Dienst des Außenministeriums von Präsident Jimmy Carter stand, wurde ich nach Indien gesandt, um die führenden Politiker dieses Landes davon abzubringen eine Atombombe zu entwickeln.
Meine Gastgeber entgegneten, dass sie mit China mithalten müssten.
Ich antwortete, dass Pakistan sich unweigerlich anschließen und die Welt zu einem unsichereren Ort würde.
Indien versprach, seine Waffentechnologie nicht zu exportieren.
Soweit wir wissen, haben seine Führungsköpfe Wort gehalten.
Die Enthüllungen über das Netzwerk für den Schmuggel atomarer Waffen, das vom Vater der pakistanischen Bombe, A. Q. Khan, organisiert wurde, bestätigen jedoch die Gefahr, die ich damals voraussagte.
Manche nennen Khans Netzwerk einen Versuch, eine "islamische Bombe" zu verbreiten. In Anbetracht der Tatsache, dass Nordkorea gemeinsam mit Libyen und Iran auf der Liste der Empfänger stand, bezeichnet man sie wohl besser als korrupte Bombe.
Wie die Geschehnisse in Pakistan zeigen, wird die Stabilität, die mit gegenseitiger Abschreckung einhergeht, durch die Verbreitung von nuklearer Technologie nicht erhöht.
Vielmehr erhöht diese die Wahrscheinlichkeit korrupten Durchsickerns, das terroristischen Vereinigungen Zugang zu Atomwaffen verschaffen kann.
Alle sind so weniger sicher.
Jede krankhafte extremistische Vereinigung könnte Neu-Delhi, Tokio, Paris oder jede andere Stadt ihrer Wahl zerstören.
Die Aufmerksamkeit der Welt konzentriert sich auf Iran, einen der Empfänger pakistanischer Technologie, als das Land, das scheinbar am eifrigsten darauf bedacht ist, sein eigenes atomares Arsenal zu entwickeln.
Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) hat Iran im vergangenen August in einer ersten Zentrifuge mit der Anreicherung von Uran begonnen und arbeitet am Bau größerer unterirdischer Anreicherungsanlagen.
Iran bekundet, dass seine Programme der friedlichen Erzeugung atomarer Energie dienen, Inspektoren haben jedoch bereits Spuren hoch angereicherten, waffenfähigen Urans gefunden.
Im vergangenen Oktober gab der Generaldirektor der IAEO, Mohamed El Baradei, bekannt, dass sich Iran zu umfassenderen Inspektionsverfahren bereit erklärt hat.
Nach Besuchen der französischen, britischen und deutschen Außenminister gab Iran zudem eine vorrübergehende Aussetzung seines Anreicherungsprogramms bekannt.
Jetzt lässt es durchblicken, dass es mit der Anreicherung fortfahren könnte und Presseberichte aus der jüngsten Zeit über die Importe aus Pakistan deuten darauf hin, dass Iran der IAEO nicht alles erzählt hat.
Iran behauptet, dass es als Partei des Nichtverbreitungsvertrages (NPT) das Recht hat, Uran für friedliche Zwecke anzureichern.
Richtig, denn der Nichtverbreitungsvertrag birgt ein Schlupfloch.
Auch wenn ein Land weitreichenden IAEO-Inspektionen zustimmt, kann es angereichertes Uran (oder wiederaufbereitetes Plutonium) legal unter dem Deckmantel eines friedfertigen Energieprogramms anhäufen und anschließend überraschend erklären, dass sich die Umstände geändert haben und vom Vertrag zurücktreten - in der Lage, kurzfristig Atomwaffen zu produzieren.
Wenn Iran dies täte, würden in einer instabilen Region nicht nur zusätzliche Gefahren entstehen, sondern es würde vermutlich ein Prozess in Gang gesetzt, der das Nichtverbreitungsregime weltweit auflöst.
Iran könnte fragen, welches Recht andere haben zu fordern, dass es auf Atomwaffen verzichtet.
Die Antwort liegt sowohl in der Tatsache begründet, dass es mit der Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrag versprochen hat, dies nicht zu tun, als auch in den Konsequenzen, die andere daraus ziehen müssten.
Aus diesen Gründen erklärte Präsident Bush eine iranische Atomwaffe für inakzeptabel.
Amerikas unilaterale Optionen sind jedoch begrenzt.
Nicht nur hat die US-Armee gerade im Irak zu tun, auch hat die Art und Weise wie die USA in den Irak gekommen sind - der, wie sich gezeigt hat, weniger atomares Potenzial hat als Iran - die amerikanische Glaubwürdigkeit untergraben, was es erschwert Verbündete zu finden, um Irans atomaren Ehrgeiz im Zaum zu halten.
Glücklicherweise gibt es eine multilaterale Option und einen existierenden Präzedenzfall.
Mitte der Siebzigerjahre planten viele Parteien des NPT den Import und die Entwicklung von Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlagen.
So unterschiedliche Länder wie die Sowjetunion, Frankreich, Deutschland und Japan erkannten die Bedrohung für das Nichtverbreitungsregime und bildeten eine "Gruppe der wichtigsten nuklearen Lieferländer", die den Export von Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlagen mit Restriktionen belegte.
Das stopfte ein Teil des Schlupflochs im Vertrag, ohne diesen zu ändern.
Solche Länder sollten sich heute zusammentun, um Iran (und anderen) einen Handel vorzuschlagen.
Länder, die Atomenergie aber keine Atombomben entwickeln wollen, sollten internationale Garantien über die Versorgung mit Brennstoffen und die Entsorgung verbrauchter Brennstoffe erhalten.
So sollte beispielsweise Russland, das Iran beim Bau eines Atomreaktors in Bushehr unterstützt, Iran eine Garantie über niedrig angereicherten Uranbrennstoff und die Wiederaufbereitung der vom Reaktor verbrauchten Brennstoffe anbieten, die zurück nach Russland geschickt würden, wenn Iran sich bereit erklärt, auf Anreicherung und Wiederaufbereitung zu verzichten.
Dieser Vereinbarung kann dann vom UN-Sicherheitsrat Wirksamkeit verliehen werden.
Der Sicherheitsrat würde erklären, dass die weitere Verbreitung von Atomwaffen eine Bedrohung für den Frieden darstellt und dass jedem Land, das sich in diese Richtung bewegt, Sanktionen auferlegt werden.
Eine solche Resolution würde auch einen Anreiz beinhalten, indem Iran Zugriff auf die nicht gefährlichen Bestandteile des Brennstoffkreislaufs für Atomenergie garantiert wird.
Das Ganze kann durch das Angebot, bestehende Sanktionen zu lockern und die Gewährung einer Sicherheitsgarantie, wenn Iran atomwaffenfrei bleibt, versüßt werden.
Europäische Außenminister haben bereits ihre Bedenken über das Atomprogramm des Iran geäußert.
Russland gibt zu erkennen, dass es zur Bereitstellung einer solchen Ver- und Entsorgung mit Brennstoff bereit ist.
Für den Sicherheitsrat ist es an der Zeit zu versuchen, die gefährlichsten Stellen des Kreislaufs atomarer Brennstoffe zu internationalisieren.
Es ist nicht zu spät, aus den Missgeschicken des A. Q. Khan eine Lehre zu ziehen.
Große Chance für Kleinbauern
NEW YORK – Die 20-Milliarden-Dollar-Initiative der G-8 für Kleinbauern, die beim jüngsten Gipfel der Gruppe im italienischen L’Aquila ins Leben gerufen wurde, ist potenziell ein historischer Durchbruch im Kampf gegen Hunger und extreme Armut.
Bei einer seriösen Verwaltung der neuen Mittel wird die Nahrungsmittelproduktion in Afrika in die Höhe schnellen.
Tatsächlich könnte die neue Initiative zusammen mit anderen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Infrastruktur der bislang größte Schritt sein, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen – den international beschlossenen Versuch, extreme Armut, Krankheit und Hunger bis 2015 zu halbieren.
Von 2002 bis 2006 leitete ich für den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan das Millenniumsprojekt der Vereinten Nationen, das darauf ausgerichtet war, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen.
Ein Eckpfeiler des Projekts waren „Kleinbauern“, d. h. Bauernfamilien in Afrika, Lateinamerika und Asien, die auf Betrieben von ungefähr einem Hektar Land oder weniger arbeiten.
Sie zählen zu den ärmsten Haushalten in der Welt und ironischerweise auch zu den hungrigsten, obwohl sie Nahrungsmittelproduzenten sind.
Sie hungern, weil sie sich kein Hochertragssaatgut, keine Düngemittel, Bewässerungsanlagen und andere Werkzeuge kaufen können, die zur Steigerung der Produktivität notwendig sind.
Infolgedessen ist ihre Ernte dürftig und unzureichend für ihren Lebensunterhalt.
Ihre Armut führt zu geringer landwirtschaftlicher Produktivität, und geringe landwirtschaftliche Produktivität vergrößert ihre Armut.
Es ist ein Teufelskreis, der in der Fachsprache als Armutsfalle bekannt ist.
Die Hunger Task Force des UN-Millenniumsprojekts, die von zwei weltweit führenden Wissenschaftlern geleitet wird, M. S. Swaminathan und Pedro Sanchez, hat untersucht, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann. Die Hunger Task Force stellte fest, dass Afrika seine Nahrungsmittelproduktion wesentlich steigern könnte, wenn den Kleinbauern in Form landwirtschaftlicher Einsatzgüter geholfen würde.
Das Millenniumsprojekt empfahl eine große Erhöhung der globalen Finanzmittel zu diesem Zweck. Vor dem Hintergrund dieser Arbeit und ähnlicher wissenschaftlicher Ergebnisse rief Annan 2004 zu einer Grünen Revolution in Afrika auf, basierend auf einer erweiterten Partnerschaft zwischen Afrika und den Geberländern.
Viele von uns, insbesondere der derzeitige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, haben hart daran gearbeitet, dies möglich zu machen, wobei Ban wiederholt die besondere Notlage hervorhob, die durch die globalen Nahrungsmittel-, Finanz- und Energiekrisen der letzten beiden Jahre entstanden ist.
Die Ankündigung der G-8 spiegelt diese jahrelangen Bemühungen und selbstverständlich den Auftrieb wider, den die Führung des US-Präsidenten Barack Obama, des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero, des australischen Premierministers Kevin Rudd, des Weltbankpräsidenten Robert Zoellick, des EU-Kommissars Louis Michel, des EU-Abgeordneten Thijs Berman und anderer gibt.
Jetzt geht es vor allem darum, dass diese Bemühungen funktionieren.
Die Lehren aus der der Geschichte sind eindeutig.
Lässt man den Kleinbauern Saatgut und Düngemittel zu hoch subventionierten Preisen (oder in manchen Fällen sogar kostenlos) zukommen, so wird dies einen bleibenden Unterschied machen.
Nicht nur werden die Nahrungsmittelerträge kurzfristig steigen, sondern die landwirtschaftlichen Haushalte werden mithilfe ihrer höheren Einnahmen und ihrer besseren Gesundheit alle möglichen Vermögenswerte und Vorteile ansammeln: Bankguthaben, Bodennährstoffe, Nutztiere sowie Gesundheit und Bildung für ihre Kinder.
Diese Steigerung ihres Vermögens macht es wiederum möglich, dass lokale Kreditmärkte wie Mikrofinanzinstitute ihre Arbeit aufnehmen.
Die Bauern können entweder mit ihrem eigenen Guthaben oder aufgrund ihrer verbesserten Kreditwürdigkeit Einsatzgüter kaufen.
Nun wurde ein Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit erreicht, den Kleinbauern zu helfen, doch gibt es weiterhin Hindernisse.
Das Hauptrisiko besteht vielleicht darin, dass die „Hilfsbürokratien“ jetzt übereinander stolpern werden in dem Versuch, die 20 Milliarden Dollar in ihre Hände zu bekommen, sodass ein großer Teil des Geldes von Meetings, Expertenberatungen, Unkosten, Berichten und weiteren Meetings verschlungen wird.
„Partnerschaften“ von Geberländern können ein teurer Selbstzweck werden, der wirkliches Handeln bloß verzögert.
Wenn die Geberregierungen wirklich Ergebnisse wollen, sollten sie das Geld den dreißig oder mehr separaten Hilfsbürokratien entreißen und es an ein oder zwei Stellen bündeln; die logischsten Anlaufstellen hierfür wären die Weltbank in Washington und der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) in Rom.
Eine oder beide Organisationen hätten dann ein Konto mit mehreren Milliarden Dollar.
Die Regierungen in hungergeplagten Regionen, besonders in Afrika, würden anschließend nationale Aktionspläne vorlegen, in denen Einzelheiten dazu stehen, wie sie die Geberfonds nutzen würden, um verarmten Bauern Hochertragssaatgut, Düngemittel, Bewässerungssysteme, landwirtschaftliches Gerät, Speichersilos und Beratung vor Ort zukommen zu lassen.
Ein unabhängiges Expertengremium würde die nationalen Pläne prüfen, um ihre wissenschaftliche und betriebliche Korrektheit zu bestätigen.
Angenommen, ein Plan besteht die Prüfung, so würde das Geld für seine Unterstützung schnell ausgezahlt.
Danach würden die jeweiligen nationalen Programme überwacht, revidiert und bewertet.
Dieser Ansatz ist direkt, effizient, nachvollziehbar und wissenschaftlich solide.
Zwei große jüngere Erfolgsgeschichten der Entwicklungshilfe sind diesem Ansatz gefolgt: die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung, die Kleinkinder erfolgreich impft, und der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, der nationale Aktionspläne zur Bekämpfung dieser tödlichen Krankheiten unterstützt.
Beide haben im letzten Jahrzehnt Millionen von Menschenleben gerettet und den Weg zu einer neuen, effizienteren und wissenschaftlich soliden Vorgehensweise in der Entwicklungshilfe geebnet.
Es überrascht nicht, dass viele UN-Behörden und Hilfsorganisationen in den reichen Ländern diesen Ansatz bekämpfen.
Allzu oft geht es bei diesen Kämpfen um Revierfragen anstatt um die effektivste Möglichkeit, den Armen schnellstens Hilfe zukommen zu lassen.
Obama, Rudd, Zapatero und andere vorausdenkende Machthaber können daher einen gewaltigen Unterschied machen, indem sie ihre Versprechen vom G-8-Gipfel einhalten und darauf bestehen, dass die Hilfe wirklich funktioniert.
Die Bürokratien müssen umgangen werden, um die Hilfsleistungen dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden: in den Boden, der von den ärmsten Bauernfamilien der Welt bestellt wird.
Eine Schwarz-Weiß-Frage
NEW YORK – Am Nachmittag des 16. Juli schienen zwei Männer in ein vornehmes Haus in einer Nobelgegend von Cambridge, Massachusetts, einzubrechen.
Nach telefonischer Alarmierung traf ein Polizist diensteifrig am Tatort ein.
Er sah in dem Haus einen schwarzen Mann und forderte ihn auf, herauszukommen.
Der Mann weigerte sich.
Der Polizist verlangte von ihm, sich auszuweisen.
Der Mann, der sich immer noch weigerte aus dem Haus zu kommen, sagte, er sei Professor in Harvard, zeigte seinen Ausweis und warnte den Polizisten, sich nicht mit ihm anzulegen.
Er sagte etwas davon, dass man es in Amerika besonders auf schwarze Männer abgesehen hatte und bat den weißen Polizisten um Namen und Dienstnummer.
Der Polizist, mittlerweile von mehreren Kollegen unterstützt, nahm den Professor wegen ungebührlichen Benehmens fest.
Wir wissen heute, dass der Professor mit Hilfe seines Fahrers in sein eigenes Haus eingebrochen war, nachdem die Eingangstür geklemmt hatte.
Ungewöhnlich war in diesem Fall nicht die Rigorosität des Polizisten.
Die meisten Menschen in den USA wissen, dass die Polizei rasch sehr ungemütlich werden kann, wenn man sich ihren Anordnungen widersetzt.
Die Tatsache, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen Schwarzen handelte, könnte den Polizisten bewogen haben, schneller als gewöhnlich zu den Handschellen zu greifen oder auch nicht.
Auch das wäre noch nicht ungewöhnlich gewesen.
Das wirklich Außergewöhnliche an diesem Fall war, dass es sich bei Henry Louis „Skip“ Gates um einen der renommiertesten Professoren des Landes handelt, der es mit seinen Büchern, Artikeln und zahlreichen Fernsehauftritten zu Berühmtheit gebracht hat.
Er ist eine Kapazität, eine höchst einflussreiche Person in der Welt der Wissenschaft und Medien und ein Freund von Präsident Barack Obama.
Aus diesem Grund warnte er den Polizisten, Sergeant James Crowley, einen lang gedienten Angehörigen der Polizei von Cambridge, sich nicht mit ihm anzulegen.
In den USA überschneiden sich Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsschicht und Hautfarbe teilweise.
In diesem konkreten Fall ist es unmöglich, sie zu trennen.
Gates, der sich dieses Problems überaus bewusst, ja sogar ein Spezialist auf dem Gebiet der Rassenproblematik und ihrer Geschichte in seinem Land ist, vermutete instinktiv, zum Opfer von Vorurteilen geworden zu sein.
Wie aus seinen Äußerungen hervorgeht war er sich aber ebenso bewusst, nicht mit dem ihm als bedeutenden Harvard-Professor und Medienstar gebührenden Respekt behandelt zu werden.
In einem im Internet veröffentlichten Interview mit seiner Tochter formulierte er es folgendermaßen: „ [Crowley] hätte sich aus der Affäre ziehen können, wenn er gesagt hätte: ‚Tut mir leid, Sir, ich wünsche Ihnen alles Gute.
Ich mag Ihre [Fernseh-] Sendungen – wir klären das später!’”
Unglücklicherweise hatte Sergeant Crowley noch nie von Professor Gates gehört.
Als Ortsansässiger, dessen Brüder allesamt bei der Polizei arbeiten, als Sportfan und Basketballtrainer eines Amateurvereins bewegt sich Crowley nicht in den gleichen Kreisen wie Gates.
Die Anzeige wurde also zurückgenommen und dabei hätte man es wohl bewenden lassen, wenn sich nicht Präsident Obama, müde und frustriert nach wochenlangen Kämpfen um seine Gesundheitsreform, im Namen seines „Freundes“ Gates eingeschaltet und die Polizei als „dumm“ bezeichnet hätte.
Sowohl der Präsident als auch Gates sprachen davon, aus dem Vorfall müsse „gelernt“ werden.
Gates soll sogar eine Fernsehdokumentation über „Racial Profiling“ planen, also über willkürliche Polizeikontrollen aufgrund der Hautfarbe eines Menschen.
Eines ist aus den Ereignissen jedenfalls zu lernen, wenn es nicht ohnehin schon bekannt ist: Wie leicht nämlich ethnisch bedingte Befindlichkeiten im täglichen Leben der USA trotz der Wahl eines schwarzen Präsidenten hochkochen.
Das komplexe Geflecht aus schwarzem Zorn, weißer Schuld sowie schwarzer und weißer Angst ist so irritierend, dass die meisten Amerikaner lieber überhaupt nicht über das Thema sprechen.
Der Bereich ist ein Minenfeld.
Eine der hervorragendsten Leistungen Obamas ist, dass er es aufgrund der Brillanz und Subtilität seiner Rhetorik zu einem ernsthaften Thema machte.
Und Gesprächsstoff gibt es reichlich: Die in grotesker Weise unverhältnismäßig hohe Anzahl von schwarzen Männern in US-Gefängnissen; der Mangel an Bildungsmöglichkeiten in armen, vornehmlich schwarzen Vierteln; das entsetzliche Gesundheitssystem; und die sehr reale Brutalität der Polizeibeamten gegenüber Schwarzen, die nicht über das Privileg eines Harvard-Ausweises verfügen.
Eines trifft wahrscheinlich zu: Viele weiße Polizisten, selbst wenn sie wie Sergeant Crowley dafür ausgebildet wurden, rassistisch motivierte Polizeikontrollen zu vermeiden, müssen erst überzeugt werden, dass ein schwarzer Mann in einem der vornehmeren Häuser von Cambridge oder einer anderen amerikanischen Stadt wohnt.
Aber ist die Gates-Affäre wirklich der richtige Weg, um in diese Diskussion einzusteigen?
Man könnte argumentieren, dass sie es sehr wohlwar. Wer, wenn nicht Professor Gates?
Eben weil es sich bei ihm um eine Kapazität handelt, ist er in der Lage das nationale Augenmerk auf dieses ernste Thema zu lenken.
Wenn das gleiche einem Unbekannten aus Harlem oder aus einem anderen armen oder vorwiegend schwarzen Viertel passiert wäre, hätte wohl nie jemand davon erfahren.
Die Tatsache, dass dies einem Professor in Cambridge widerfuhr, rüttelt die Allgemeinheit auf.
Dennoch besteht die Gefahr, dass dies auch nachteilige Auswirkungen auf die notwendige nationale Diskussion über Frage der Hautfarbe hat .
Weil Gates aus diesem relativ unbedeutenden Vorfall eine derart große Sache machte, könnte man ihm nämlich vorhalten, viel schlimmere Fälle von Missbrauch zu trivialisieren.
Tatsächlich wissen wir nicht einmal mit Sicherheit, ob dies ein solcher Vorfall war.
Crowley erwähnte Gates’ Hautfarbe überhaupt nicht.
Auch Gewalt war nicht im Spiel.
Die Angelegenheit war geprägt von blank liegenden Nerven und Überempfindlichkeit gegenüber mangelndem Respekt sowohl auf Seiten des Professors als auch auf der des Polizisten.
Empörung über einen Professor, mit dem man sich nicht anlegen darf, ist nicht die beste Methode, das Elend zahlloser, armer, namenloser Menschen zu diskutieren, die von den meisten von uns nur allzu leicht übersehen werden.
Eine Bollywood-Braut für Sarkozy?
PARIS – Seit er bei einem romantischen Ausflug nach Disneyland Paris öffentlich seine Affäre mit Ex-Supermodel und Popmusikerin Carla Bruni bekannt gab und sich damit von der Liste der begehrtesten Junggesellen seines Landes strich, steckt der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Schwierigkeiten.
Seine Zustimmungswerte sind erstmals unter 50% gefallen.
Ältere französische Bürger finden das öffentliche Spektakel, dass ihr verliebter Landesvater abgibt, nicht sonderlich amüsant.
Im Ausland echauffierten sich Ägyptens Parlamentarier derart über die Aussichten, dass das französische Staatsoberhaupt das Bett mit seiner Freundin teilen könnte, dass mehrere von ihnen ihrem Unmut öffentlich im Parlament Luft machten.
Genauso ist Indien in großer Verlegenheit darüber, wie es Sarkozys bevorstehenden Besuch auf dem Subkontinent als Ehrengast bei den Feierlichkeiten zum Tag der Republik am 26. Januar protokollarisch handhaben soll.
Sollte die Präsidentenfreundin ihren eigenen Fahrzeugkonvoi bekommen, so wie eine Präsidentengattin?
Dieselben rechtsgerichteten Hindu-Gruppen, die schon gegen den Valentinstag als dekadenten westlichen Feiertag protestieren, warnen, dass, falls Sarkozy mit Freundin im Schlepp anreisen sollte, sie ihn auf den Straßen „willkommen heißen“ würden.
Die Kontroverse droht, einen Schatten auf einen groß angekündigten Gipfel zweier der größten Demokratien der Erde zu werfen.
Da lukrative Geschäftsabschlüsse für die teuren Produkte, die die französische Konjunktur antreiben – militärische Hardware, Kernkraftwerke und Airbus-Flugzeuge – auf dem Spiel stehen, hat Frankreich ein starkes Interesse an einem Gipfelerfolg in Indien.
Während also die Luft schwirrt von Gerüchten über eine entweder schon erfolgte oder gerade in Vorbereitung befindliche heimliche Heirat, fragt man sich, ob der in Indien brodelnde Ärger über das sehr öffentliche Liebesleben des französischen Präsidenten hinter der Eile steckt, das Paar gesetzlich zu verheiraten?
Die Nachricht in Sarkozys HausblattJournal du Dimanche, dass beide ihre Hochzeit planten, hat fieberhafte Spekulationen ausgelöst, wann das freudige Ereignis eintreten könnte.
Beide haben deutliche Symbole ihrer gegenseitigen Zuneigung ausgetauscht: Er schenkte ihr einen herzförmigen, rosafarbenen Diamantring von Dior, sie ihm eine Schweizeruhr.
Es sei „ernst“, gab der verliebte Präsident zu.
Doch selbst auf direkte Nachfragen von Reportern weigerte er sich, ein genaues Datum preiszugeben. „Sie werden es wohl im Nachhinein erfahren,“ spöttelte er.
Gerüchten zufolge hat das Pärchen den 8. oder 9. Februar als Hochzeitstag festgelegt.
Andere sagen, dass Sarkozy die Medien, während er sich noch um Fragen zu den Heiratsplänen herumdrückte, längst durch eine geheime Trauung im Elyseepalast ausgetrickst habe.
Stimmt dies, so hat Sarkozy eine einmalige romantische Chance vertan.
Wenn das Paar schon auf Fotos mit Luxor und Petra als Hintergrund brannte, dann stelle man sich nur vor, wie heiß die Dinge am romantischsten Ort der Welt, dem Taj Mahal, werden könnten.
Und angesichts der Tatsache, dass aktuell alles, was aus Bollywood kommt, in Frankreich der letzte Schrei ist, würde eine verschwenderische indische Hochzeit gut ins Bild passen.
Brunis eigener Lebensweg ähnelt stark dem einer großen Zahl von Bollywood-Stars, die den Schritt vom Model zur Schauspielerin geschafft haben.
Eine anmutige Brünette, die singt, ist für ein Makeover à la Bollywood perfekt geeignet.
Die indische Regierung jedenfalls wäre erleichtert, zu sehen, dass aus der Präsidentenfreundin eine Präsidentenfrau wird.
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärte derIndian Express, eine der führenden indischen Tageszeitungen, seinen Lesern ganz deutlich: „Eine Freundin ist keine Ehefrau oder Gattin.“
Wären beide erst mal verheiratet, würden sich alle die französische Delegation betreffenden Protokollprobleme einfach in Luft auflösen.
Trotz der manchmal geradezu pornografischen Leinwandverkrümmungen der Bollywood-Sternchen ist Indien nach wie vor eine zutiefst konservative Gesellschaft.
Scheidung ist etwas Unerhörtes.
(Sarkozy ist nun zweimal geschieden.)
Und während es innerhalb der privilegierten Schichten nur so von Mätressen wimmelt, stolzieren diese nicht in aller Öffentlichkeit an der Seite ihrer mächtigen Freunde daher.
Küsse und Geschmuse in der Öffentlichkeit ist selbst für Verheiratete tabu.
In dieser Hinsicht ähnelt Indien eher jenem Frankreich, mit dem Sarkozy einen glatten Bruch anstrebt, als dem heutigen.
Die meisten Inder würden es – wie anscheinend viele Franzosen auch – bevorzugen, sich eben nicht jener „Scheinheiligkeit“ zu entledigen, die Sarkozy seinen Vorgängern ankreidet (sprich: dem ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand, der mit seiner Mätresse ein Kind hatte, von dem vor Mitterrands Beerdigung niemand wusste).
Gerade Sarkozy sollte wissen, dass ein großer Teil der Würde seines Amtes auf Glanz und Zeremoniell beruht.
Die Staatskunst ist ein Bereich, in dem der Schein trügen soll.
Wenn Sarkozy mit seiner ansonsten so feinen Antenne für die Medien sich beschwert, er sei kein Bisschen anders als andere Männer, so ist er gefährlich nahe daran, Amt und Person des Präsidenten miteinander zu verwechseln.
Die meisten Franzosen können von einer exotischen Hochzeit in Indien nur träumen.
Sarkozy könnte diesen Traum Wirklichkeit werden lassen.
Falls er tatsächlich derart Hals über Kopf in Bruni verliebt ist wie er behauptet und sie in Kürze heiraten will, warum nutzt er nicht seine anstehende Reise nach Indien und macht dies zu einer unvergesslichen Hochzeit?
Er könnte seine Braut majestätisch auf der Schabracke eines kunstvoll geschmückten Elefanten sitzend treffen, und sie würde in feinsten indischen Tuchen und Juwelen einfach hinweißend aussehen.
Der „Bling-Bling-Präsident“, wie Sarkozy inzwischen genannt wird, könnte so viel Gold tragen, wie es ihm beliebt, und seine Braut mit noch mehr Diamanten überschütten.
Die Filmkameras würden laufen, die Inder würden lächeln, und Frankreich würde mit einem Bollywood-Spektakel verwöhnt werden, das seine wildesten Träume übersteigt.
Und falls es für die Hochzeit selbst zu spät ist, bliebe immer noch der Empfang.
Fünfundzwanzig Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl hat die erneute Katastrophe im japanischen Fukushima hoffentlich definitiv klar gemacht, dass die angeblichen Segnungen des Atomzeitalters schlicht Illusionen sind: die Atomkraft ist weder sauber noch sicher noch billig.
Ganz im Gegenteil verfügt Atomkraft über drei ungelöste Großrisiken: Anlagensicherheit, Atommüll und das militärische Weiterverbreitungsrisiko.
Zudem sind die Alternativen zur nuklearen Stromerzeugung bekannt und technisch weitaus moderner und nachhaltiger als fossile Brennstoffe oder Atom.
Man muss das atomare Risiko nicht eingehen, sondern dies ist offensichtlich politisch gewollt.
Die fossilen und atomaren Energieträger gehören zu den technischen Utopien des 19. und 20. Jahrhunderts, die von dem Glauben an die Unschuld der technischen Machbarkeit lebten und von der Tatsache, dass damals global nur eine überwiegend im Westen lebende Minderheit von den Segnungen dieses Fortschritts profitierte.
Das 21. Jahrhundert wird durch die Erfahrung der Endlichkeit des globalen Ökosystems und seiner Ressourcen und durch die daraus erwachsende nachhaltige Verantwortung für den Erhalt dieses für uns Menschen unverzichtbaren Ökosystems geprägt werden.
Darin liegt eine gewaltige technische Herausforderung und auch Chance.
Modernität wird dadurch neu definiert werden. Die energetische Zukunft von 9 Mrd. Menschen in der Mitte unseres Jahrhunderts liegt weder in den fossilen Brennstoffen noch in der Atomenergie, sondern allein in den erneuerbaren Energieträgern und einer dramatisch verbesserten Energieeffizienz.
Man weiß dies bereits heute nur zu gut.
Warum gehen dann aber gerade die höchst entwickelten Staaten dieses nunmehr erneut bewiesene Risiko einer nationalen Großkatastrophe ein, nur um aus radioaktivem Zerfall Strom zu erzeugen?
Die letztendliche Antwort auf diese Frage liegt nicht allein und vor allem im zivilen, sondern im militärischen Nutzen der Atomenergie.
Die Energie aus der Spaltung von Uran- und Plutoniumatomen wurde ursprünglich für die ultimative Waffe, die Atombombe genutzt.
Sie verheißt souveränen Staaten die ultimative Macht, militärischen Schutz und das Prestige einer Nuklearmacht.
Die Verfügung über diese Waffe teilt bis heute die globale Staatenwelt in zwei Klassen ein, in die wenigen Nuklearmächte und die vielen Habenichtse.
Die alte Weltordnung des Kalten Krieges gründete seit 1949 auf dem nuklearen Wettrüsten der beiden Supermächte USA und Sowjetunion.
Und um zu verhindern, dass sich die zahlreichen Mitglieder der Staatenwelt diesem Wettrüsten anschlossen und versuchten, selbst Atommächte zu werden, und so zu einer Vervielfachung und Weiterverbreitung des atomaren Konfrontationsrisikos beitrugen, wurde in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts der Atomwaffensperrvertrag verhandelt und in Kraft gesetzt, der die Beziehungen zwischen den Nuklearmächten und dem Rest auf der Basis des Verzichts (Habenichtse) und nuklearer Abrüstungsverpflichtungen (Atommächte) bis heute regelt.
Freilich wurde dieser Vertrag mehrfach durchbrochen oder von Staaten unterlaufen, die ihm niemals beigetreten sind.
Bis heute bleibt daher das Risiko, dass es zu einer Ausdehnung der Anzahl der Atommächte kommt. Dieses Risiko besteht vor allem für kleine und mittlere Mächte, die sich von einem solchen Schritt eine Aufwertung ihrer Position in Regionalkonflikten erhoffen und zudem zusätzliches Prestige erwarten.
Iran ist dafür das aktuellste Beispiel.
Eine drohende Nuklearisierung solcher nicht immer sehr stabilen Staaten und eine damit einhergehende nukleare Aufladung der zahlreich vorhandenen Regionalkonflikte dieser Welt würde aber das 21. Jahrhundert sehr viel unsicherer machen und zudem das Risiko erheblich vergrößern, dass Atomwaffen schließlich auch in die Hände von Terroristen geraten könnten.
Trotz des Atomwaffensperrvertrages hat die klare Trennung zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomenergie nicht immer und nicht wirklich funktioniert, denn unter der Herrschaft des Vertrages ist es allen Unterzeichnerstaaten unter internationaler Kontrolle erlaubt, alle Komponenten des atomaren Brennstoffkreislaufs für zivile Zwecke zu entwickeln und zu gebrauchen.
Von dort aus bedarf es dann nur noch weniger technologische Schritte und einer politischen Entscheidung der jeweiligen nationalen Führung, um den Schritt zur Nuklearmacht zu tun.
Dieses machtpolitische Geheimnis der Atomenergie ist es aber, das den Abschied von ihr so schwer macht, und keineswegs energiepolitische Gründe.
In der Regel beginnt der Weg in Richtung Atommacht immer mit so genannten „zivilen“ Atomprogrammen.
So haben etwa die behaupteten „zivilen“ atomaren Ambitionen des Iran zu einer Vielzahl von zivilen Programmen in dessen Nachbarstaaten geführt.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Und selbstverständlich wird auch genau deshalb von den so genannten „verborgenen Schwellenstaaten“ jetzt sehr genau beobachtet und analysiert, wie die Reaktionen vor allem der Nuklearmächte auf die Atomkatastrophe von Fukushima ausfallen wird.
Wie wird die Welt, allen voran die wichtigsten Atomwaffenstaaten, auf die nukleare Katastrophe von Fukushima reagieren?
Wird es global zu einem echten Gezeitenwechsel kommen und damit die Welt in Richtung nuklearer Abrüstung und eine atomwaffenfreie Zukunft voranschreiten?
Oder wird man versuchen, die Gründe für diese Katastrophe wegzuerklären, um nach einiger Zeit zum business as usual zurückzukehren?
Fukushima hat die Welt vor eine weitreichende Grundsatzentscheidung gestellt.
Es war Japan, das Hightech-Land Nummer 1 (und eben nicht die späte Sowjetunion), das nicht in der Lage war, die nötige Vorsorge zu treffen, um eine solche Katastrophe in vier Reaktorblöcken zu verhindern.
Wie aber wird die zukünftige Risikobewertung erst aussehen müssen, wenn wesentlich schlechter organisierte und entwickelte Staaten in die zivile Nutzung der Atomenergie unter der tätigen Mithilfe der Atommächte einsteigen?
Und selbstverständlich wird ein „Weiter so!“ eine eindeutige Botschaft an die verborgenen Schwellenstaaten enthalten, die insgeheim militärische Absichten verfolgen. Die Botschaft lautet, dass man schön über eine atomwaffenfreie Zukunft reden und lange Dokumente verfassen kann, aber dass es ganz offensichtlich an dem politischen Willen der Nuklearmächte mangelt, international eine echte Kehrtwende in Richtung „Raus aus der Atomenergie!“ einzuleiten.
Ein solcher Schritt wäre nicht nur ein epochaler Wechsel des Zeitgeistes, sondern deshalb auch ein enormer Beitrag zur globalen nuklearen Sicherheit und auch eine entscheidende praktische Weichenstellung zur Bekämpfung der militärischen nuklearen Weiterverbreitung.
Die Neuerschaffung der GAP
WAGENINGEN, NIEDERLANDE – Die 1957 eingeführte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist nun also über 50 Jahre alt und die Europäische Kommission beabsichtigt, einen von ihr so bezeichneten Gesundheitscheck für ihr in die Jahre gekommenes Kind durchzuführen.
Allerdings wird man mit oberflächlicher Kosmetik den zukünftigen Erfordernissen in der Europäischen Union nicht genügen können.
Die GAP muss neu geschaffen werden.
Damit soll nun begonnen werden und bis 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Allerdings bedarf es eines noch grundlegenderen Umdenkens.
Das ursprüngliche Ziel der GAP war, für eine gesicherte Nahrungsmittelversorgung der sechs Gründungsmitglieder der Gemeinschaft zu sorgen, die alle auf Nahrungsmittelimporte angewiesen waren und einen gewissen Grad an Unabhängigkeit anstrebten.
Gute, gesunde und preiswerte Lebensmittel mussten für alle Bürger zur Verfügung stehen.
Eine verbesserte landwirtschaftliche Produktivität sollte den ländlichen Gegenden zugute kommen und den Bauern einen adäquaten Anteil am wachsenden Wohlstand der Gemeinschaft sichern.
Um diese Ziele zu erreichen wurden Instrumente entwickelt und Nahrungssicherheit erreicht.
Die GAP wurde binnen kurzem als Edelstein in der Krone des europäischen Projekts betrachtet.
Mit der Entwicklung und Erweiterung der EU sind auch die Lebensmittelsysteme komplexer geworden. Dies betrifft Produktion, Verarbeitung, die Organisation der Versorgungskette sowie den Groß- und Einzelhandelsvertrieb, wobei in allen Bereichen neue Themen im Hinblick auf Gesundheit und Umwelt hinzukommen.
Auch die Bodennutzung wird einer eingehenderen Prüfung unterzogen.
Eine im Jahr 1991 vom niederländischen Wissenschaftlichen Rat für Regierungspolitik durchgeführte Studie mit dem TitelGround for Choices zeigte, dass die Nahrungsversorgung der EU mit 50 Prozent weniger Anbauflächen, 80 Prozent weniger Pestiziden und 50 Prozent weniger Umweltverschmutzung bewerkstelligt werden könnte.
Die Umweltbelastung würde aufgrund niedrigerer Nitratwerte im Oberflächenwasser um 70 Prozent gesenkt und auch die Treibhausgase würden reduziert.
Diese Zahlen bezogen sich auf eine EU mit 15 Mitgliedern, daher sind die Möglichkeiten heute mit 27 Mitgliedern ungleich größer.
Eine holländische Untersuchung zur Bodennutzung ergab, dass man in der Nahrungsproduktion durch den Einsatz der besten technischen und ökologischen Mittel auf dem besten verfügbaren Boden substanzielle Zuwächse erzielen kann.
Es kommt daher nicht überraschend, dass die Anzahl der zur Nahrungsmittelproduktion benötigten Bauern, beträchtlich gesunken ist.
Aus der Perspektive der Nahrungssicherheit und des Wohlstandes für ländliche Gegenden ergibt sich die dringende Notwendigkeit, die wichtigsten Instrumente der GAP zu überarbeiten, um so zu einer neuen politischen Formel zu finden.
Perverse Subventionen müssen abgeschafft und solche, die Produkte wie Bio-Kraftstoffe bevorzugen, überdacht werden.
Der Status quo muss sich ändern.
Politik für den ländlichen Raum in der EU beschränkt sich allzu oft auf Einkommensgarantien für die Bauern.
Aber diese Haltung untergräbt den Wandel.
Der Wettbewerb ist zu fördern, da ländliches Unternehmertum die Bauern stärkt, wobei es weniger Bauern, dafür aber bessere landwirtschaftliche Betriebe geben soll.
Eine vereinfachte GAP würde eine sauberere, produktivere und effizientere Landwirtschaft mit sich bringen.
Ein Nebennutzen für die internationale Position der EU wäre, dass die in die Sackgasse geratenen Doha-Verhandlungen der Welthandelsorganisation wieder in Gang kämen, sobald die Bauern in den Entwicklungsländern die Gewissheit hätten, von Europa fair behandelt zu werden.
Überdies könnte die Rolle der GAP als Motor politischer und sozialer Integration in Europa wieder belebt werden, wenn überarbeitete Strategien eingeführt sind.
Allerdings kann eine Erneuerung dieser Art nicht den internationalen Marktkräften überlassen werden, da die Resultate möglicherweise nicht unbedingt positiv für die  europäische Landwirtschaft und Gesellschaft wären.
Wenn sich der Markt „daneben benimmt“ könnten die Bauern in die Armut abgleiten, was zu einer Vernachlässigung großer Teile Europas führen würde.
Dieser durchaus realen Gefahr müssen  die politischen Entscheidungsträger ins Auge blicken, wenn sie die GAP auf Grundlage der folgenden fünf Säulen reformieren.
1. Die EU braucht eine Politik des Wissens und der Innovation, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft stärkt.
Eine derartige Politik ist in den Niederlanden erfolgreich, wo sie in beträchtlichem Maß zur Entwicklung und Leistung der Agrarindustrie beiträgt.
Zehn der 21 Bereiche der holländischen Agrarindustrie, wie beispielsweise Saatgut für den Gartenbau, Zierpflanzen, Pflanzkartoffeln und Kalbfleisch zählen zu den größten Sektoren der nationalen Wirtschaft und der Handelsbilanz des Landes.
In der EU insgesamt würde eine auf Forschungsprogramme ausgerichtete Politik wissenschaftliche Exzellenz und größere Kohärenz im europäischen Wissenssystem fördern und daher die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft enorm stärken sowie einen Beitrag zu Nahrungssicherheit und nachhaltiger Entwicklung leisten.
2. Europa braucht auch eine Restrukturierungspolitik im Bereich Bodennutzung.
Zahlreiche Programme zur Strukturverbesserung werden auf europäischer Ebene finanziert, aber landwirtschaftliche Produktion und Bodennutzung zählen nicht dazu.
Die Entwicklung einer landwirtschaftlichen Grundstruktur würde die europäische ökologische Grundstruktur ergänzen.
Wiederaufforstung und Schadensbehebung in natürlichen Ökosystemen sollten ebenfalls Teil einer Bodennutzungspolitik sein.  
3. Eine Politik im Bereich europäischer Lebensmittelsysteme würde Produktion, Verarbeitung, Vertrieb, Logistik und Verkauf gemeinsam behandeln.
Verbrauchsmuster und Präferenzen sind ein integraler Bestandteil derartiger Systeme.
Voruntersuchungen der Europäischen Wissenschaftsstiftung unter dem Titel „Forward Look on European Food Systems” könnten sich bei der Erarbeitung einer derartigen EU-weiten Politik als hilfreich erweisen.
4. In einer sich rasch urbanisierenden Welt kann Landwirtschaft im städtischen Umfeld auf kleinen Landflächen qualitativ hochwertige Produkte hervorbringen.
Das ist eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach gesunden Nahrungsmitteln, die ohne große Umweltbelastungen erzeugt werden.
5. Eine neue GAP sollte auch eine Strategie zum Schutz der Landschaftspflege in Europa einschließen.
Nicht überall sollte man ein Kulturerbe aufrecht erhalten, und ebenso wenig sollte man die Kosten außer Acht lassen.
Überdies darf es sich dabei nicht um eine defensive Strategie jener Art handeln, die dazu neigt, sich auf qualitativ minderwertiges Land zu konzentrieren.
Diese fünf Säulen bergen so manche drastische Entscheidung, aber sie werden dem europäischen Steuerzahler wahrscheinlich nicht mehr, sondern weniger kosten.
Damit könnte ein echter Beitrag für eine sauberere, produktivere und effizientere Landwirtschaft und Bodennutzung geleistet werden, der gleichzeitig auch soziale Bedürfnisse berücksichtigt.
Ein Durchbruch gegen den Hunger
NEW YORK – Die aktuelle Hungerkrise hat beispiellose Ausmaße angenommen und bedarf dringender Maßnahmen.
Beinahe eine Milliarde Menschen sind in der Hungerfalle gefangen – das sind etwa 100 Millionen mehr als vor zwei Jahren.
Spanien übernimmt nun die globale Vorreiterrolle bei der Bekämpfung des Hungers. Für Ende Januar hat man Spitzenpolitiker aus der ganzen Welt nach Madrid geladen, wo man über schöne Worte hinaus konkrete Maßnahmen ergreifen will.
Unter der Führung Spaniens und in Partnerschaft mit UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon schlagen mehrere Geberländer vor, ihre finanziellen Ressourcen zusammenzufassen, so dass die ärmsten Bauern der Welt, mehr Nahrungsmittel anpflanzen und somit der Armutsfalle entkommen können.
Der Nutzen dieser Hilfe durch die Geberländer kann beträchtlich sein.
Kleinbauern in Afrika, Haiti und anderen verarmten Regionen bauen ihre Feldfrüchte momentan ohne die Vorteile ertragreicheren Saatgutes und Düngemittel an.
Dies führt dazu, dass die Ernteerträge (von Mais beispielsweise) um etwa ein Drittel geringer ausfallen.
Afrikanische Bauern erwirtschaften ungefähr eine Tonne Getreide pro Hektar. Im Vergleich dazu beträgt der Ernteertrag in China, wo man stark auf Düngemittel setzt, über vier Tonnen pro Hektar.
Die afrikanischen Bauern wissen, dass sie Dünger brauchen, können sich ihn aber nicht leisten.
Die Hilfe der Geberländer würde das ermöglichen.
Diese Bauern können dann nicht nur ihre Familien ernähren, sondern auch ein Markteinkommen erzielen und für die Zukunft sparen.
Durch diese über ein paar Jahre aufgebauten Ersparnisse werden die Bauern schließlich kreditwürdig oder besitzen selbst genug Bargeld, um sich die dringend benötigten Produkte selbst zu kaufen.
Es herrscht weitgehend Einigkeit über die Notwendigkeit vermehrter Finanzierungshilfen für Kleinbauern vor allem in Afrika (jene mit zwei Hektar Land oder weniger und verarmte Viehhalter).
Der UNO-Generalsekretär leitete im letzten Jahr einen Lenkungsausschuss, der befand, dass die Landwirtschaft in Afrika jährlich etwa 8 Milliarden Dollar an Finanzierungshilfe braucht – also ungefähr vier Mal so viel wie aktuell zur Verfügung steht – wobei vor allem verbessertes Saatgut, Dünger, Bewässerungssysteme und landwirtschaftliche Beratung im Vordergrund stehen.
Zusätzlich zur Direkthilfe für Kleinbauern sollten die Geberländer mehr finanzielle Mittel für Forschung und Entwicklung bereitstellen, die nötig ist, um neue Saatsorten für höhere Erträge zu entwickeln und um Pflanzen zu züchten, die zeitweilige Überschwemmungen, überschüssigen Stickstoff, salzige Böden und Schädlinge aushalten sowie auch anderen Herausforderungen einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion gerecht werden.
Den Armen mit aktueller Technologie zu helfen und gleichzeitig in die zukünftige Verbesserung dieser Technologien zu investieren, ist die beste Art der Zusammenarbeit.
Die Investitionen rentieren sich auf wunderbare Weise. Forschungszentren wie das Internationale Reisforschungsinstitut und das Internationale Zentrum für die Verbesserung von Mais und Weizen entwickeln höchst ertragreiches Saatgut und innovative landwirtschaftliche Strategien, die gemeinsam die grüne Revolution in Asien begründen.
Diese Zentren sind der Allgemeinheit noch kein Begriff, sollten es aber sein.
Die dort vollbrachten wissenschaftlichen Durchbrüche haben dazu beigetragen, die Welt zu ernähren und wir brauchen mehrere dieser Zentren.
Dutzende – etwa 40 bis 50 – Länder niedrigen Einkommens und mit Schwierigkeiten in der Nahrungsversorgung haben Notprogramme zur Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion durch Kleinbauern erarbeitet, können sie allerdings momentan aus Mangel an Finanzierungshilfen nicht umsetzen.
Diese Länder haben sich an die Weltbank gewandt, die im Jahr 2008 beherzte Anstrengungen in Form des neuen Global Food Crisis Response Program unternahm.
Allerdings verfügt die Weltbank nicht über ausreichend Mittel, um den dringenden Bedarf dieser Länder zu decken. Daher musste die Hilfe auf ein paar wenige Maßnahmen reduziert werden, wo man das Geld wirksam und verlässlich einsetzen konnte.
Unterdessen bleiben hunderte Millionen Menschen in der Hungerfalle gefangen.
Zahlreiche einzelne Geberländer erklärten, nun zwar bereit für eine Anhebung der finanziellen Hilfe für Kleinbauern zu sein, aber auf der Suche nach entsprechenden Mechanismen für diese Hilfe nicht fündig geworden zu sein.
Die aktuellen Hilfsstrukturen sind nicht ausreichend.
Die mehr als 20 bilateralen und multilateralen Geberinstitutionen im Bereich Landwirtschaft sind stark zersplittert und sowohl auf individueller Ebene als auch insgesamt unzulänglich.
Trotz aller engagierten Bemühungen zahlreicher Fachleute bleiben die Maßnahmen gegen die Hungerkrise zutiefst unzureichend.
Die Anbausaison 2008 kam und ging ohne, dass den verarmten Kleinbauern ausreichend zusätzliche Hilfe zur Verfügung gestellt wurde.
Die Länder Afrikas sind endlos – und meist erfolglos – auf der Suche nach den bescheidenen Geldbeträgen, die sie benötigen, um Düngemittel und verbessertes Saatgut zu kaufen.
Meine Kollegen und ich, die wir im Beratungsausschuss der spanischen Initiative sitzen, empfehlen, dass die Geberländer ihre Mittel auf ein einziges internationales Konto einzahlen, das wir als Financial Coordination Mechanism (FCM) bezeichnen.
Mit diesen Mitteln können Bauern in armen Ländern Dünger, verbessertes Saatgut und dringend benötigte kleine Bewässerungssysteme kaufen.
Arme Länder würden rasche und verlässliche Finanzierung für landwirtschaftliche Hilfsmittel aus einem einzigen Fonds und nicht von Dutzenden verschiedenen Gebern erhalten.
Indem man die finanziellen Mittel in einem FCM zusammenfasst, kann man die Verwaltungskosten der Hilfsprogramme niedrig halten und die Verfügbarkeit der Mittel sichern. Darüber hinaus müssten die armen Länder nicht 25 Mal verhandeln, bis sie Hilfe bekommen.
Die Zeit des Normalbetriebs ist vorbei.