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4. Rechtsanwalt O. Hahn in Reutlingen sprach über die Anwendung des Gesetzes des mechanischen Äquivalents der Wärme auf die Nationalökonomie

Das Gesetz des mechanischen Äquivalents der Wärme, dessen Entdeckung das unsterbliche Verdienst unseres Landsmanns R. v. Mayer ist, lässt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen.

Die Wärme, welche erfordert wird, um ein bestimmtes Gewicht Wasser um 1° C. zu erwärmen, ist auch im Stande, eben dieses Gewicht auf 1300 Fuß (genauer 424 Meter) zu heben. Der Wärmeeinheit entspricht also eine bestimmte Arbeitsgröße.

Umgekehrt erzeugt aber auch eine bestimmte Arbeitsgröße eine bestimmte Wärmemenge, d. h. es ist wiederum eine Arbeitsgröße von 1300 Fußpfund nötig, um 1 Pfund Wasser um 1° C. zu erwärmen.

Wärme und Bewegung verwandeln sich also in einander.

Die chemischen Prozesse sind in letzter Instanz die eigentlichen Wärmequellen.

Hierbei tritt nur ein gewisser Teil der Wärme, nämlich bei der Dampfmaschine 1/20 der durch Verbrennung der Kohle erzeugten Wärme, bei dem menschlichen Körper 1/6 der durch den Umsatz der Körperbestandteile bedingten Verausgabungen in Form von nach außen übertragbarer mechanischer Arbeit auf.

Es ist bekannt, welche Umwälzung dieses Gesetz in der Physik und Mechanik hervorgebracht hat, die Physiologie hat ein neues Kapitel bekommen.

Nur Eine Wissenschaft hat bis jetzt aus der Entdeckung der Kraftquelle der Arbeit keinen Nutzen gezogen und das ist eben die Wissenschaft der Arbeit oder Nationalökonomie, zu deutsch: Volkswirtschaftslehre.

Die größte Entdeckung auf dem Gebiet der Kraftlehre hat noch nicht einmal eine Erwähnung, viel weniger Anwendung von Seiten einer Wissenschaft gefunden, deren Gegenstand doch nichts anderes als die Kraft, die Arbeit ist.

Aber freilich die Wissenschaft nennt sich Wirtschaftslehre. Gewiss konnte kein Name weniger die Sache bezeichnen als eben dieser und ich bekenne, dass ich von jeher einen Abscheu empfand, wenn die heilige Arbeit mit diesem Namen belegt wurde. Wirtschaftslehre erinnert an das Allerunwirtschaftlichste, an die „Wirtschaften“. Viel besser ist der englisch- französische Name: Nationalökonomie: „Haushaltungslehre“. Wenn wir aber einen deutschen Namen dafür suchen, so ist es einzig und allein das Wort: Arbeitswissenschaft oder Wissenschaft der Arbeit. Denn die Nationalökonomie handelt von Anfang bis zu Ende eben von nichts anderem als der menschlichen Arbeit und ihren Wechselbeziehungen.

Sobald wir die Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie aber Lehre von der Arbeit nennen, so gibt schon der Name klar, dass diese Wissenschaft keine andere Grundlage haben kann, als eben das Gesetz der Kraft, der Bewegung, das große Gesetz des mechanischen Äquivalents der Wärme. Denn Arbeit, auch die menschliche, ist Bewegung — Bewegung ist Wärme. Es hat die „Volkswirtschaftslehre“ allerdings nicht die Gesetze der Ernährung, die Gesetze der Stoffe, des Stoffwechsels selbst zu erörtern — dies ist Aufgabe der Chemie, der Physiologie. Die „Volkswirtschaftslehre“ erörtert bloß den Wert der Arbeit, ihre Werthschätzung, und erklärt hieraus die Erscheinungen des Markts. Die Arbeit ist der Naturprozess, dessen gesellschaftliche Beziehungen „Volkswirtschaftslehre" genannt werden. Der Grundbegriff, welcher für die „Volkswirtschaftslehre" aus der Arbeit abgeleitet wird, ist der des Werts. Werthschaffung, Werthverbrauch, Werthtausch sind die drei Hauptabschnitte, in welche sich die Wissenschaft der Nationalökonomie teilt.

Es ist in der Wissenschaft darüber kein Streit, dass der Wert einer Sache nur die auf dieselbe verwendete menschliche Arbeit ausdrücken soll. Der Preis ist die Zahl von Wertsienheiten welche gegeben werden, um den Willen des Eigentümers zum Verzicht auf die Sache, auf den Besitz und die Benützung der in der Sache verkörperten Arbeit zu bewegen. Der Begriff des Werts fordert Feststellung einer Wertseinheit, weil nur in dieser der Wert selbst zum Bewusstsein, richtiger: die auf die Sache verwendete Arbeit zur Vorstellung gebracht werden kann. Es muss möglich sein, nicht nur zu sagen: es ist Arbeit auf die Sache verwendet worden, sondern auch wie viel Arbeit?

Die Wertseinheit wurde zuerst von Marx zu bestimmen versucht: er fand sie in einer bestimmten auf die Arbeit nützlich verwendeten Arbeitszeit. Allein Zeit ist kein Messer. Der Messer muss, wenn er wirklich in die Augen fallen soll, eine Sache sein. Dieser Messer bot sich nun durch das Mayer'sche Gesetz.

Ist nämlich Arbeit = Bewegung, Bewegung = Wärme, so kann eine Menge Arbeit (Arbeitsleistung) auch gleichgesetzt werden der Menge Stoffe, welche zur Erzeugung der zu dieser Arbeitsleistung (Bewegung) notwendigen Wärme verwendet wurde. Wie wir also einen gewissen Nutzeffekt einer Dampfmaschine gleichsetzen können der darauf verwendeten Kohlenmenge, so setzen wir nun eine gewisse Arbeitsleistung gleich der auf ihre Erzeugung verwendeten Menge von Nahrungsmitteln und da unter all' diesen der Waizen sämtliche notwendigen Stoffe enthält, so können wir eine Arbeit der Menge Waizen gleichsetzen, welche dabei verbraucht wurde. Wir haben im Tagelohn mit Naturverpflegung schon ein rohes Beispiel der Anwendung der Theorie.

Der Wert der Sache ist also, da die Naturkräfte unentgeltliche sind, die Bezeichnung für die auf die Erzeugung derselben verwendeten Nahrungsmittelmenge: seine Einheit ist eine bestimmte Menge dieses Stoffs, als welche natürlich die mit einer Tagesarbeit zu erzielende Menge angenommen wird.

Der Tausch der Werte wird durch eine Sache vermittelt, auf welcher die Nahrungsmitteleinheiten bezeichnet werden, welche deren Herstellung erforderte: das Metallgeld. Das Tauschmetall ist also Werth und Werthzeichen zugleich.

Das Mayer'sche Gesetz gibt nun auch das Lohngesetz. Der Arbeiter ninss dasjenige ersetzt erhalten, was er an Nahrungsmitteln auf die Arbeit verwendet hat, einschließlich natürlich der allgemeinen Arbeit, des Anteils an derjenigen Menge von Nahrungsmitteln, welcher seine Erziehung, Ausbildung gekostet hat und desjenigen, was sein Alter kosten wird, in welchem er nicht mehr arbeitsfähig ist.

Aber auch der Begriff des Kapitals und insbesondere der Berechtigung des Kapitals ist durch das Mayer'sche Gesetz gegeben. Die Erfahrung lehrt, dass die Menge Nahrungsmittel, welche wir durch Arbeit gewinnen, grösser ist, als diejenige, welche wir bei der Arbeit verbraucht haben. Dieses Mehr ist das Capital im eigentlichen Sinn, ist das wohlberechtigte Capital.

Vermöge des Gesetzes der Lohngleichheit bei gleicher Arbeit aber hat Jeder, auch wer nicht Nahrungsmittel produciert, (wenn der Ausdruck erlaubt ist) ein Recht auf denselben Überschuss an Entgelt (Nahrungsmitteln), welchen er bei gleicher auf die Hervorbringung von Nahrungsmitteln verwendeten Arbeit erzielt haben würde.

Es erhält also das Lohngesetz insofern noch eine Ausdehnung.

Man könnte einwenden, dass das Mayer'sche Gesetz für Körperarbeit, nicht aber für die geistige Arbeit anwendbar sei. Allein es trifft auch hier zu. Die Naturkräfte sind unentgeltliche, nur die menschliche Arbeit erzeugt Werth. Zu den Naturkräften gehören aber nicht nur die Stoffe des Mineral-, Pflanzen-, Tierreichs, sondern auch die Fähigkeit des Geistes, sogar das Genie.

Das Genie ist eine Naturkraft, welche nur insofern einen Wert erhält, als Arbeit auf dessen Entfaltung und Anwendung verwendet wurde, welche Werte schafft, soweit es Werte verbraucht.

Jede Gedankenarbeit ist zugleich eine Hirnarbeit. Das Hirn verbraucht eine bestimmte Menge Nahrungsmittel: natürlich müssen dabei auch die übrigen unwillkürlichen Körperbewegungen, welche während der Zeit der Hirnbewegung vor sich gehen, erhalten werden, es muss die Zeit der notwendigen Ruhe des Gehirns auch in dem Wert des Gedankenarbeitsprodukts in Rechnung kommen.

So entsteht auch hier aus einer bestimmten Nahrungsmittelmenge eine bestimmte Menge (Gedanken-) Arbeit.

Ich glaube in diesen wenigen Zügen eine neue Grundlegung der Lehre von der Arbeit vorgeführt zu haben. Was man bis daher Volkswirtschaftslehre genannt hat, verdient kaum den Namen einer Wissenschaft. Durch das Mayer'sche Gesetz erst ist eine Grundlage für diese Lehre geschaffen, und es hat lange genug angestanden, nämlich gerade 100 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Versuchs einer wissenschaftlichen Behandlung der Nationalökonomie durch Adam Smith. Dies dankt die Nationalökonomie der Naturwissenschaft und ich zahle nur eine längst verfallene Schuld dieser Wissenschaft, wenn ich dies hier ausspreche.